Die Reise Zur Stadt Der Toten
völlig anders sein.«
»Schon gut, schon gut«, brummte sie. »Ich hoffe nur, daß es wirklich interessant ist.«
Er wartete mit dem nervösen Homat, bis Lyra mit verschlafenen Augen den Mast heraufgeklettert war und sich ihnen angeschlossen hatte. Jetzt, wo sie zu dritt auf der Plattform waren, hatten sie nur wenig Platz, um sich zu bewegen.
»So, was ist los?« Ihre Augen waren immer noch klein, und sie kämpfte sichtlich mit dem Schlaf. Aber als sie Homat bemerkte, wirkte sie verwirrt.
»Wo ist Irquit?« fragte Etienne.
»Irquit? Was hat die denn damit zu tun? Auf dem Achterdeck, glaube ich, in den wonnigen Armen des hiesigen Vertreters von Morpheus. Was, zum Teufel, geht hier oben vor?«
»Homat hat dir etwas zu sagen.«
Lyra hörte ruhig zu, wie der Führer das wiederholte, was er Etienne gesagt hatte. Sie überlegte ein paar Augenblicke lang, als er geendet hatte.
»Wir könnten kehrtmachen. Wir sind Wissenschaftler, keine Glücksritter und auch keine Kontakt-Spezialisten. Wir sind nicht darauf vorbereitet, uns mit Feindseligkeiten größeren Umfangs auseinanderzusetzen. Wenn diese Stadt mit Po Rabi durch Bündnis und Komplizenschaft verbunden ist, können wir die Zanur von Losithi um Schutz bitten.«
Etienne sah sie zweifelnd an. »Das würde nicht funktionieren. Po Rabi würde es erfahren, und dann würden sie wissen, daß wir ihnen auf die Schliche gekommen sind. Das könnte sie in einen offenen Konflikt mit Losithi treiben. Wir wollen nicht dafür verantwortlich sein, daß hier ein größerer lokaler Krieg ausbricht. Außerdem gibt es überhaupt keine Garantie, daß wir mit der Zanur von Losithi besser fahren würden als mit Po Rabi. Besser der Teufel, den man kennt, als - du weißt schon.«
»Sie beneiden euch ebenso um eure Technologie wie die Zanur von Po Rabi«, stimmte Homat ihm zu.
»Und dann die große Entfernung, die wir bereits zurückgelegt haben. Jetzt zurückzukehren und dann noch einmal anzufangen, würde wenigstens einen Monat erfordern, selbst wenn wir das Glück hätten, sofort von Losithi Erlaubnis zu erhalten. Wir haben den Äquator passiert und damit auch das schlimmste Klima hinter uns. Nicht daß dieser Backofen plötzlich erträglich geworden wäre - aber es kann nur noch besser werden.
Ich habe einfach keine Lust, noch einmal umzukehren und alles das, was wir bereits gründlich aufgezeichnet haben, noch einmal zu studieren. Und ich bin sicher, dir geht es genauso, Lyra. Und dann besteht immer noch die Gefahr, daß Losithi einen ähnlichen Hinterhalt arrangiert, wenn wir unsere Reise wiederaufgenommen haben; und die wären dann besser auf uns vorbereitet, als diese Changriti-ten es wahrscheinlich sind. Die Geologie fängt endlich an, interessant zu werden, Lyra. Ich will nicht noch einmal zwei Monate lang Schlammproben nehmen. Trotz Homats Besorgnis glaube ich nicht, daß es uns irgendwelche Schwierigkeiten bereiten wird, eine Sperre aus Netzen und Seilen zu durchbrechen, wie sie die Leute hier vielleicht errichten können.«
»Das weiß ich«, stimmte Lyra zu. »Das ist es nicht. Ich will nur einfach den Eingeborenen keinen Schaden zufügen. Du weißt schon, was ein residierender Kommissar dazu zu sagen hätte.«
»Auf Tslamaina gibt es keinen residierenden Kommissar. Dafür ist diese Welt noch nicht genügend weit fortgeschritten. Niemand wird etwas wissen. Und selbst wenn man es herausfände, würden wir ihnen einfach sagen, daß wir uns gezwungen sahen, uns zu verteidigen; und das wird vermutlich die Wahrheit sein und sich mit dem Log belegen lassen.«
Lyra wandte sich Homat zu. »Was geschieht denn, wenn wir Changrit sicher passiert haben? Was ist mit der nächsten Stadt? Könnte die auch ein Bündnis mit Po Rabi haben?«
Homats Stimme klang überzeugt: »Nein. Changrit ist die einzige Stadt im hohen Norden, die mit Po Rabi verbündet ist. Jenseits von Changrit ist vieles unbekannt, und alle sind unabhängig von den Stadtstaaten an den Ufern des Groalamasan. Und Changrit ist ausgewählt worden, weil es als einzige Stadt genügend Kämpfer für einen solchen Angriff aufbringen wird.«
»Alles, was du gesagt hast, klingt logisch und macht Sinn«, murmelte sie. »Mich beunruhigt das, was du uns nicht gesagt hast.«
»Ich verstehe deine Worte nicht, de-Lyra.«
»Warum bist du so erpicht darauf, deine eigene Stadt zu verraten?«
»Ich habe euch gesagt, daß ich euch liebgewonnen habe und daß ihr mir ein Gefühl der Bedeutung vermittelt habt - das Gefühl, etwas
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