Die Reiter der Sarmaten
»Ja, ich habe einen Feind unter den Römern, der versucht hat, mich zu ermorden. Und ich weiß, daß ihr, alle meine Leibwächter, stolz und mutig seid und niemals die Schande auf euch laden würdet, widerstandslos hinzunehmen, daß Römer dem Leben eures Fürsten nachstellen. Aber genau das ist der Grund, weshalb ich euch nichts gesagt habe. Ich konnte nicht zulassen, was euer Stolz und euer Mut – und eure Treue, die ich kenne und der ich absolut vertraue – euch zu tun geboten hätten.«
»Wer ist dieser Feind?« fragte Banaspados – und beantwortete die Frage gleich selbst. »Eine Frau, sagte das Mädchen. Eine Römerin, die innerhalb der Festungsmauern lebt. Und eine Freundin von Arshak, mit dem du dich gestritten hast. Die Gemahlin des Legaten.«
Ich konnte durch das Dunkel der Nacht seine Augen funkeln sehen. »Als sie heute hierherkam«, fuhr er fort, »hatte ich den Eindruck, daß sie dich haßte; aber ich dachte, vielleicht ist sie wütend auf dich, weil du ein Pferd zureitest, das sie mißhandelt hat. Zweimal, sagte das Mädchen; zweimal hat sie versucht, dich zu töten. Einmal durch Wasser und einmal durch Feuer. Mein Fürst, du hättest es uns sagen müssen.«
Wenn Männer dafür verantwortlich sind, dein Leben zu schützen, haben sie Rechte in deinem Leben. Ich konnte Banaspados keine Antwort geben, ich stand hilflos da, beschämt, erbittert und erschöpft. In diesem Augenblick kam ein schwaches, schniefendes Weinen aus dem formlosen weiten Mantel des Mädchens.
»O bitte!« sagte sie flehentlich zu Facilis. »Er ist hungrig, und es ist kalt. Bitte, könnt Ihr mich nicht woanders hinbringen? Ich habe Angst, hierzubleiben, bei einem Mann, den meine Herrin zum Tode verflucht hat.«
»Die Flüche deiner Herrin haben Ariantes nichts angetan«, versuchte Facilis sie zu beruhigen. »Er ist ein guter Mann, und er hat die Götter seines Volkes um ihren Schutz angefleht. Und ich weiß nicht, wie ich dich aus der Stadt bringen könnte, Kind, außer in seinem Wagen. Sie halten an den Toren Ausschau nach dir, und deine Herrin war in einer sehr üblen Stimmung, als ich sie heute abend sah.«
Sie schwieg und wiegte das jetzt kläglich wimmernde Bündel unter ihrem Mantel.
»Das Baby wird sterben, wenn du nicht mit ihm aus der Stadt entkommst«, sagte Facilis mit einer so sanften Stimme, wie ich es ihm nie zugetraut hätte.
»Oh! Oh, ja, natürlich.« Sie drängte tapfer die Tränen zurück. »Es tut mir leid, Marcus Flavius, ich wollte keine Schwierigkeiten machen. Verzeiht mir, Fürst Ariantes. Ich danke Euch, wirklich, ich bin Euch dankbar für Eure Hilfe.«
Seufzend reichte ich ihr die Hand, um ihr in den Wagen zu helfen, und folgte ihr. Ich hatte bereits eine Schlafstelle für sie bereitgemacht, weiter hinten im Wagen.
»Du kannst hier schlafen«, sagte ich, nahm ihre Hand und ließ sie in der Dunkelheit des Wagens das Bett betasten. »Hast du alles, was du für das Kind brauchst?«
»Ja, Herr.« Ich hörte, wie sie sich in der Dunkelheit bewegte, sich setzte und ihren Kittel öffnete, um dem Baby die Brust zu geben. Das schwache, wimmernde Weinen hörte abrupt auf und wurde durch ein schmatzendes Saugen abgelöst.
»Dann bleib jetzt hier, und verhalte dich ruhig. Es wird besser sein, daß du den Wagen nicht verläßt, wenn es hell geworden ist. Meine Männer wissen zwar alle, daß du hier bist, und auf sie ist Verlaß, aber wir müssen vor heimlichen Spitzeln auf der Hut sein. Wenn du Angst vor Entdeckung hast, kannst du dich unter das Bett auf den Boden legen und einen Teppich über dich ziehen. Hast du alles verstanden?«
»Ja, Herr. Nur, was ist, wenn ich … äh …«
»Dazu mußt du den Wagen verlassen und in den Stall gehen. Aber möglichst nicht nach Anbruch der Dämmerung. Ich will sehen, daß wir sehr früh aufbrechen. Ich gehe jetzt, ich muß mit meinen Männern sprechen. Dann komme ich in den Wagen zurück.«
»Es tut mir so leid, Herr, daß ich Euren Freund ärgerlich gemacht habe. Ich hätte den Mund halten sollen; sie hat mir gesagt, ich dürfe nie und zu niemandem ein Wort darüber sagen. Aber ich war so überrascht, als Marcus Flavius sagte, wer Ihr seid, und ich bin so müde. Sie hat Euch …« Die Stimme des Mädchens verlor sich. »… so leid«, war das letzte, was ich hörte.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte ich. »Mach dir keine Sorgen. Wir werden nicht zulassen, daß jemand dir und dem Kleinen etwas tut.« Ich verließ den Wagen.
Banaspados stand noch da, und
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