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Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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gewöhnlich auf der britannischen Seite des Kanals residierte und sich nur zum Stützpunkt Bononia begeben hatte, um unsere Verschiffung nach Britannien zu überwachen. Er sorgte dafür, daß wir ordentliches Essen bekamen, Leder zum Anfertigen von Bindungen für die Planen unserer Wagen, Arzneien für unsere kranken Männer und unsere lahmenden Pferde – alle die Dinge, die wir während des Marsches entbehrt hatten. Mir wurde allmählich klar, daß wir manches nur deshalb hatten ertragen müssen, weil Facilis allein für uns verantwortlich gewesen war. Zum Teil hing diese Wendung aber auch damit zusammen, daß ich jetzt wieder die Kraft hatte, mich um die Dinge zu kümmern und nach dem zu fragen, was wir brauchten, statt wie bisher blind im Nebel des Grauens und Schmerzes zu treiben – oder wie Arshak und Gatalas alles stolz zu ertragen und dabei von Rache zu träumen.
    Wir hatten also Gelegenheit, die Götter um ihren Schutz anzuflehen, bevor wir uns einschifften. Wir wuschen unsere Kleidung, striegelten die Pferde und bauten Dampfzelte auf, um uns gründlich zu reinigen. Dann versammelten wir uns in der Mittagszeit, um Marha zu opfern und die Vorzeichen für die Reise zu lesen. Das Opfer von drei Pferden verlief gut, und die Vorzeichen waren im großen und ganzen ermutigend. Jede unserer Abteilungen hatte ihren eigenen Weissager, der die Muster zu deuten verstand, die von den mit Kohle schwarz oder mit Kalk weiß gefärbten Weidenruten gezeichnet wurden, mit denen wir den Willen der Götter zu erforschen versuchen. Gatalas’ Weissager sagte für seinen Drachen Leben und Glück jenseits des Meeres voraus, warnte aber vor Gefahr durch Lügen und Feuer. Er verhieß dem Drachen Ruhm im Krieg, was seine Männer mit einem lauten Freudenschrei aufnahmen, warnte jedoch den Kommandeur vor Hinterlist und Täuschung und prophezeite ihm, daß er in der Schlacht fallen werde. Arshaks Weissager drückte sich weniger eindeutig aus. Seinem Drachen wurde zwar ebenfalls Glück, aber auch Unglück verheißen. Die Botschaft für Arshak selbst war ebenso verwirrend: Gefahr durch Lügen, Gefahr im Dunkel; Leben und Tod schienen sich in sehr labilem Gleichgewicht zu befinden. Arshak nahm diese Prophezeiung mit einem Lächeln auf. »Ich werde sterben, wenn es mir bestimmt ist«, sagte er. »Aber ich vertraue darauf, daß mein Tod nicht ungerächt bleiben wird.«
    Für meinen Drachen verhießen die Zeichen Sieg, was die Männer mit Jubel begrüßten. Aber die Prophezeiung für mich selbst war ebenso vage wie die für Arshak und zugleich noch grausamer: Gefahr durch Lügen, Gefahr im Kampf, Tod durch Ertrinken, Tod durch Feuer – und Sieg.
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte Arshak meinen Weissager Kasagos. »Du läßt Ariantes zweimal getötet werden und anschließend einen Sieg gewinnen. Ihr Roxolanen könnt die Ruten nicht ordentlich lesen.« (In meinem Drachen hatte ich fünf Schwadronen Roxolanen, und die Männer der anderen Drachen spotteten gern über sie. Sie waren die einzigen Roxolanen in unserer Armee, alle anderen gehörten, wie ich selbst auch, zum Stamm der Jazygen. Die Roxolanen sind ein Stamm des sarmatischen Volkes, nicht anders als wir, aber weniger alt und mit einer etwas abweichenden Geschichte.)
    Arshak hatte keine Veranlassung, über Kasagos’ verworrene Prophezeiung zu spotten, da ja sein eigener Weissager eine ähnlich rätselhafte Vorhersage gemacht hatte.
    »Vielleicht soll ich, während ich den Sieg erringe, verwundet werden und später entweder durch Wasser oder durch Feuer sterben«, versuchte ich die Weissagung zu deuten. Ein entsetzlicher Gedanke kam mir: Ich könnte von einem besiegten Feind verwundet werden und ertrinken, und wenn die Flut meine Leiche an den Strand spülte, würden Römer sie nach ihren Bestattungsgebräuchen verbrennen. Diesen Gedanken behielt ich für mich. Tod durch Wasser ist ein schreckliches Schicksal, und die Leiche zu verbrennen, so glauben die Menschen meines Volkes, bedeutet, die Seele vernichten. Die bloße Vorstellung von einem solchen Schicksal mußte bei meinen Männern Bestürzung auslösen.
    Kasagos sah mit gerunzelter Stirn auf die Ruten. »Das Zeichen für Sieg kommt nach den beiden Todeszeichen. Ich denke, mein Fürst, daß die Hinweise auf den zweimaligen Tod als Warnungen gelesen werden müssen. Wenn du dem Tod durch Wasser und durch Feuer entkommst, wirst du einen Sieg erringen.«
    »Mit anderen Worten: Geh nicht schwimmen, und sei vorsichtig, wenn du ein

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