Die Reiter der Sarmaten
vergessen, den ich an diesem Nachmittag bekam. Eukairios kannte sich sehr gut in seinem Metier aus. Wir gingen die Liste der Vorräte durch, es war alles falsch. Es waren große Mengen Weizen aufgeführt, den wir nicht gewohnt sind, dafür fehlten Käse und gedörrtes Fleisch, unsere wichtigste Nahrung. Es gab kein Holz, um Schäden an den Wagen zu reparieren, das Futter für unsere Pferde war ungeeignet; es war kein Filz vorgesehen, um die Planen zu flicken, und nicht genug Leder für die Bindungen – es war eine völlig nutzlose Liste.
Eukairios wußte genau, was zu tun war, um die Sache in Ordnung zu bringen. Den ganzen Nachmittag ging es hin und her. Ich sagte:
»Was wir brauchen, ist …«, und Eukairios antwortete: »Das würde unser Budget überschreiten, Herr, aber was wir tun könnten …«
Dann Briefe: »Ariantes, Kommandeur des Sechsten Numerus der sarmatischen schweren Reiterei, an Minucius Habitus, Prokurator der kaiserlichen Domänen. Seid gegrüßt. Edler Prokurator, wir ersuchen um die Lieferung von einhundert Fässern gepökeltes Rindfleisch aus den Beständen der kaiserlichen Landgüter, zu verschiffen nach Dubris. Mit der Vollmacht des Prokurators Valerius Natalis …« – »Ariantes … an Junius Coroticus, Schiffsagent. Seid gegrüßt. Der Prokurator Valerius Natalis ersucht Euch, ein Schiff zum Hafen Durobrivae Icenorum zu schicken, um einhundert Fässer gepökeltes Rindfleisch zu übernehmen …« – »Ariantes … an Marcius Modestus, Vorsteher der Flottenwerkstätten in Dubris. Seid gegrüßt. Der Prokurator ermächtigt Euch, uns einhundert Pfund an Faßdauben aus Eichenholz und zweihundert Pfund an Schalbrettern aus Buchenholz zuzuteilen.« – »Und nun, Herr«, sagte Eukairios dann, »setzt Euer Kreuz hierher , und ich vermerke darunter ›Schreibunkundig‹, und wir siegeln es so , und morgen früh schicken wir die Briefe gleich fort.«
Die Sache war mir etwas unheimlich: Man brachte die Briefe zum Kurierboot im Hafen von Dubris – und hundert Meilen entfernt würden wenig später Männer, die nie von uns Sarmaten gehört hatten, Fässer mit Pökelfleisch auf ein Schiff rollen, das dort erschienen war, um sie für uns abzuholen; das Schiff würde sie zu einem Lagerhaus in Dubris bringen, wo sie entladen und gestapelt würden, bis wir sie dort abholten. Briefe können erstaunliche Dinge bewerkstelligen.
Eukairios wurde mir nun jeden Tag zugeteilt, bis ich Bononia mit dem letzten Transport verließ. Wenn ich sage, daß ich ihn nützlich fand, dann heißt das nicht, daß ich mit Problemen der militärischen Planung nicht vertraut gewesen wäre. Ich hatte in der Vergangenheit Truppenbewegungen sorgfältig geplant und vorbereitet – ich hatte Stoßtruppunternehmen organisiert, meine Männer umsichtig für den Krieg ausgerüstet, und ich hatte den Nachschub sichergestellt. Aber immer konnte ich mich auf Menschen verlassen, die ich kannte, immer hatte ich uns aus meinen eigenen Reserven und denen meiner Gefolgsleute versorgt und ausgerüstet – und das alles hatte auch ohne Protokolle und Listen und Briefe reibungslos funktioniert. Aber die Möglichkeit, durch das Einsehen von Protokollen auf Vergangenes zurückzugreifen und durch Aufstellung von Budgets Einfluß auf die Zukunft zu nehmen, mit Briefen direkt zu unbekannten, weit entfernt lebenden Menschen zu sprechen, hatte etwas Faszinierendes. Es erschreckte mich, daß es mir so sehr gefiel und daß ich die beiden nächsten Tage Eukairios morgens ungeduldig erwartete – und daß ich auf ihn angewiesen war, um meine eigene Arbeit tun zu können. Gleichzeitig machte es mich wütend, daß ich von einem römischen Sklaven abhängig sein sollte, und ich konnte es kaum erwarten, ihn und Bononia endlich hinter mir zurückzulassen. Aber ich fürchtete auch die Gefahr, von jeder Kommunikation abgeschnitten zu werden, während um mich herum Briefe hin- und hergingen, in denen Römer mit Römern über uns sprachen und wir wie stumme und verwirrte Kinder in einer fremden Welt standen.
Schließlich brach ich mit Eukairios von Bononia auf – und mit Valerius Natalis und Flavius Facilis. Eukairios kam mit, weil wir einige Abrechnungen abzuschließen hatten, Natalis, weil er zu seinem Flottenstützpunkt Dubris zurückkehrte, aber Facilis war eine unangenehme Überraschung. Wir hatten seit Beginn der Einschiffung sehr wenig von ihm gesehen, und ich war überzeugt gewesen, daß er nach Beendigung seines Auftrags mit seinen
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