Die Reiter der Sarmaten
können auch jetzt noch reiten und mit dem Bogen schießen, und früher war das vermutlich alles, was verlangt wurde.«
»Auch in Britannien haben Königinnen Heere angeführt«, sagte Comittus. »Cartimandua von den Briganten, Boudicca von den Icenern.«
»Bodica?« fragte ich. Meine Aufmerksamkeit erwachte wieder. »Wie die Frau des Legaten?«
»Ja«, sagte Comittus stolz. »Tatsächlich ist Aurelia Bodica in der mütterlichen Linie mit Königin Boudicca verwandt, und zwar über die Familie der Coritanerkönige. Die Schwester des Icenerkönigs Prasutagus heiratete …«
Der dritte Tribun, Gajus Valerius Victor, der älter war als Comittus, lachte hämisch. Er hatte dem Wein ziemlich kräftig zugesprochen und war leicht betrunken. »Hört bloß, wie unser Brittunculus über das Königtum der Stämme faselt! An einem Lagerfeuer zu sitzen, ist dir wohl in den Kopf gestiegen, Comittus? Du phantasierst wie ein alter Barde über die Heldentaten deiner Ahnen.«
Comittus wurde rot. Brittunculus – kleiner Brite – war ein verächtliches, beleidigendes Diminutiv. »Du hast kein Recht, mir dieses Wort an den Kopf zu werfen, Gajus«, sagte er. »Du bist selbst Brite; deine Familie ist seit Generationen in Verulamium ansässig.«
»Ja, aber mein Urgroßvater war ein Veteran der Armee des göttlichen Claudius, kein coritanischer Stammeskrieger, der seinen Körper blau anmalte!«
»Meine Vorfahren waren Könige!« brauste Comittus auf.
»Das reicht!« fuhr Severus dazwischen und warf den beiden einen scharfen Blick zu. Sie erinnerten sich wieder an unsere Gesellschaft und schwiegen. Wir blickten ausdruckslos in das Feuer und warteten auf den Zweikampf. Kein Sarmate würde einem anderen Mann so beleidigende Worte ins Gesicht sagen, wenn er nicht die Absicht hatte, mit ihm zu kämpfen – und kein Sarmate nahm eine Beleidigung seiner Ahnen friedlich hin. Das Feuer zischte und sprühte, das Schweigen schleppte sich dahin. Comittus lehnte sich wieder zurück, verärgert dreinblickend, und wir verstanden, daß nichts passieren würde.
»Ihr seid ein Nachkomme von Königen?« fragte Arshak, um das Schweigen aufzubrechen. »Und diese Dame auch, die Frau unseres Legaten?«
»Nun – Aurelia Bodica«, sagte Comittus, der noch immer ziemlich unglücklich aussah, »stammt in der väterlichen und in der mütterlichen Linie direkt von Königen ab. Ihr Vater ist ein Nachkomme der Könige der Regner, ihre Mutter stammt von den Königen der Contaner ab. Meine Familie ist mit der ihrer Mutter verwandt. Ihr habt wahrscheinlich bemerkt, daß ich einen britischen Namen habe.«
Wir hatten das natürlich nicht bemerkt, und ich war mir nicht einmal sicher, welcher seiner Namen der britische war, nur daß es nicht Lucius sein konnte.
»Diese … Coritaner, Regner, Icener … das sind Stämme?« fragte Arshak weiter.
»Einheimische britannische Stämme«, ergänzte Severus. »Britannien war früher in eine Anzahl verschiedener Stammeskönigtümer unterteilt. Ein paar Stammesorganisationen bestehen noch als Verwaltungseinheiten weiter; im übrigen aber sind sie heute ohne größere Bedeutung.«
»Wir haben auch Stämme«, erklärte Arshak, »aber ich denke, unsere sind größer. Wir Jazygen halten das ganze Land zwischen Danuvius und Tisia unter unseren Speeren, und wir stehen in ho hem Ansehen, auch bei Eurem Kaiser. Wir sind alle Jazygen hier, abgesehen von Ariantes’ Roxolanen. Ist die Verwandtschaft mit dieser Dame der Grund, Lucius Javolenus, daß Ihr Tribun seid?«
»Hm – ja.«
Victor blickte wieder finster drein, und Severus schien sich unbehaglich zu fühlen. Irgend etwas war an diesem Thema, das sie beunruhigte oder ärgerte – vermutlich dasselbe, was diese Streiterei eben verursacht hatte –, und das war nicht die Tatsache, daß Comittus seine Stellung durch Protektion erlangt hatte; solche Dinge waren bei den Römern durchaus üblich. Ich hakte vorsichtig nach: »Die Dame Aurelia Bodica schien mir sehr klug und scharfsinnig zu sein.«
Ich hatte ins Schwarze getroffen. Irgend etwas im Zusammenhang mit der Gemahlin des Legaten mißfiel den beiden anderen Tribunen, sie sahen nervös zu mir herüber. Comittus hingegen strahlte. »Das ist sie, das ist sie!« rief er eifrig. »In ganz Britannien gibt es keine Frau, die es mit ihr aufnehmen kann. Julius Priscus war ihr in dem Augenblick verfallen, als er ihr zum erstenmal begegnete, und er würde Euch selbst bestätigen, welch große Hilfe sie ihm gewesen ist. Er
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