Die Rekonstruktion des Menschen
nach höchstens ein paar tausend Jahren abermals zu
einem entsetzlichen Gedränge kommen, und zwar durch eine
Übervölkerung der Semenia – diesmal mit einer Unmenge
von Staatsmobilen. Nach dem nächsten Geschichtszyklus
müßte wieder eine Fusion vollzogen werden, was bereits nach
Zivilisationswahnsinn riecht, denn bei dieser Perspektive würde
jedes Staatsmobil der kommenden Epoche sich aus Staatszellen
zusammensetzen. Vor dieser Aussicht zitterten selbst die Antragsteller
und zogen ihren Vorschlag zurück.
Am Rande des Streits um das Geschlecht des
künftigen Staats trat ein gewisser Denker mit einer erstaunlichen
kosmogonischen Hypothese hervor. Die durch Übervölkerung
ausgelöste Produktion von Staatsmobilen aus Bürgern,
behauptete er, und zwar gerade nach den bigeschlechtigen
Entwürfen, ist zweifellos eine kosmische Konstante. Darauf deutet
schon das Wesen des Alls hin, das aus positiven und negativen Teilchen
gebaut ist, aus Materie, der die Antimaterie entspricht, und so weiter.
Großmächte entstehen also aus maskulinen und femininen
Elementen, vermehren sich, und ihre Nachkommen bilden die nächste
Staatenföderation. Dieser Prozeß dauert ständig an,
umfaßt allmählich das gesamte Universum, so daß man
auf die Frage, woraus die Materie eigentlich besteht, antworten
muß: aus reinem Staatssubstrat, komprimiert durch die viele
Jahrhunderte währende Mikrominiaturisierung der in den Staaten
steckenden Staaten. Obwohl sie beim Kleinerwerden ihre früheren
Merkmale verlieren, kann man, wie bereits oben gesagt, ihr Geschlecht
erkennen. Was die weitere detaillierte Behandlung der Sache betrifft,
so müssen sich die Physiker damit befassen. Vielleicht lohnt es
hinzuzufügen, daß jener Denker ein ausgezeichneter Jurist
und Kenner des Zivilrechts war. Seine Konzeption ist, gar nicht so
merkwürdig, wie es scheint. Wenn er behauptet, Atome
bestünden aus Staaten und die Staaten aus Atomen, wollte er sicher
sagen, daß Materie, die gleichermaßen de jure und de facto
existiert, völlig legal ist, sowohl einen Terminus ad quo wie auch
ad quem bildet beziehungsweise daß sie und das Recht eigentlich
ein und dasselbe sind und demnach die Frage, was zuerst war, das Recht
oder die Welt, gegenstandslos ist, sofern ihr begreift, worum es uns
geht. Das war übrigens eine Abschweifung, doch wir erwähnten
diese Hypothese, weil sie die letzte Blüte
nichtkonföderierten semenidischen Denkens gewesen ist.
Es blieb, wie ihr wißt, bei nur einem
Staatsorganismus, und nach Abschluß der gesetzgeberischen
Arbeiten begannen in der nächsten Phase die körpergebenden.
Über die Zuordnung zu den Geweben entschied das Los, denn jeder
hätte sich sonst zu besonders attraktiven Organen gedrängt
und sämtliche möglichen Beziehungen und Protektionen spielen
lassen. Von Zeit zu Zeit brachen Korruptionsaffären aus. Die
Aufdeckung einer größeren, der palatalen, zog die
Zwangsverschickung der Schuldigen in die Gegend des Steißbeins
nach sich, wo es an Siedlungswilligen fehlte und viele Posten vakant
waren. Die ständigen Unruhen erschwerten den Fortschritt der
körpergebenden Tätigkeit – den einen zog’s zum
Geiste, der andere zum Bauche reiste. Wenn man dem Egoismus nachgegeben
hätte, wäre statt des lebensfähigen Staatsmobils ein
riesiger Kopf mit einem von Ohr zu Ohr reichenden Mund über einem
aufgetriebenen Wanst entstanden. Bald kam der festliche Augenblick, wo
das Band durchschnitten wurde, das unsere Großmacht umschlang.
Wir haben es selbst durchgeschnitten, denn außer uns gab es
niemanden mehr auf der Semenia, und haben uns aus den uns umgebenden
Gerüsten zu ganzer Größe aufgerichtet, in der Gestalt,
in der ihr uns hier seht. Da wir euch als teure Gaste nicht durch den
ganzen Staat führen können, wollen wir das wenigstens in
Kürze mit Worten tun.
In diesem rotierenden, von einer romanischen Kuppel
eingeschlossenen Gebäude ist unser Parlament untergebracht. Es
besteht aus zwei benachbarten Kammern, der rechten und linken, die
durch eine ziemlich nervöse Administration mit den
Vollstreckungsorganen verbunden sind. In den oberen Korpusprovinzen
haben das Ministerium für den Gasaustausch mit dem Ausland und die
Hauptverwaltung für Irrigation ihren Sitz; diese ist im Hinblick
auf die geltende Sparsamkeit mit der Zentrale für
Nächstenliebe zusammen untergebracht. In der Mitte des Staats
befinden sich zahlreiche Industrievereinigungen, z. B.
Zuckerverarbeitungsanlagen, Lebensmittelbetriebe,
Weitere Kostenlose Bücher