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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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Ewigkeit vor sich, niemand kann Ihnen jetzt noch etwas anhaben!«
    Redshan beharrte jedoch auf seinen Worten: »Mir ist schlecht, Alter! Ich muß mich hinlegen! Überlassen Sie mir Ihren Diwan!«
    »Legen Sie sich auf den Fußboden!« antwortete Valmosk. »Für Sie ist es jetzt gleichgültig, wo Sie liegen, ob auf einem Federbett oder auf Pflastersteinen!«
    Redshan glitt vom Stuhl und streckte sich auf dem Fußboden aus. Seine Augen schlossen sich nicht, ja zwinkerten nicht einmal. Alles um sich herum nahm er nur verschwommen und entstellt wahr, wie durch fließendes Wasser. Rongi trat zu ihm und schaute ihm ins Gesicht. Der Blick des Hundes war klug und traurig. Redshan kam es sogar vor, als spräche aus ihm echtes menschliches Mitgefühl. Mühsam hob er den Arm, streichelte der Dogge den Kopf und sagte in Gedanken: »Nun bin ich genauso geworden wie du, Rongi! Was wird uns die Zukunft bringen?«
Der Hund ging fort und legte sich wieder auf seinen Platz neben dem Diwan.
    Redshan wurde von einem seltsamen Gefühl des Vergessens befallen. Er sah zwar noch alles, hörte aber auf, die Umwelt zu begreifen. Traumphantasien überwältigten ihn und wechselten mit schwarzen Abgründen von Bewußtlosigkeit. Er warf sich wie im Fieber hin und her, seine Fäuste zitterten, und mit dem Kopf stieß er gegen den Fußboden. Valmosk wußte nicht, was er mit ihm machen sollte. Er konnte ihm in keiner Weise helfen. Schließlich nahm er von dem Haufen in der Ecke eine Handvoll Lumpen und deckte Redshan damit zu. Nach wenigen Minuten hatte sich Redshan beruhigt und sank in einen tiefen Schlaf.
    Der erschöpfte Alte legte sich wieder auf den Diwan und hüllte sich in seinen zerrissenen Mantel. Erneut lutschte er an seiner Brotkruste und blickte gespannt zu Redshan. Als dieser endlich in völlige Bewußtlosigkeit fiel, stieß er seinen Hund an und fragt trübsinnig: »Sollte er es wirklich nicht aushalten? Sollte wirklich alles vergebens gewesen sein? Ach, Rongi, warum sind wir beide, nur so unglücklich?«
    Die Dogge wedelte zur Antwort nicht einmal mit dem Schwanz. Aus ihrem Blick sprach nichts als tiefe Gleichgültigkeit.
9
    Fünf Stunden später wachte Redshan auf. Das erste, was er mit vollem Bewußtsein wahrnahm, war eine tiefe Stille und undurchdringliches Dunkel. Körperlich aber verspürte er eine ungewöhnliche Leichtigkeit; ihm war, als ob er sich nur abzustoßen brauchte, um wie ein Vogel in der Luft zu schweben. Er hatte jedoch keine Lust, weiterhin so bewegungslos dazuliegen. Rasch sprang er auf die Beine, die Lappen fielen ihm vom Kopf, und sogleich schlug ihm das Licht des staubigen Leuchters in die Augen. Er blickte sich im Raum um, und sogleich erinnerte er sich wieder an alles.
    Der Alte auf dem Diwan schlief. Redshan ging zu ihm und rüttelte ihn ohne Umstände wach. Er sah, wie Valmosk die Augen aufschlug und die Lippen bewegte; offenbar sagte er etwas.
    Ich muß lernen, das Gesprochene von den Lippen abzulesen, dachte Redshan, suchte sich Papier und Bleistift und schrieb schwungvoll: »Ich fühle mich ausgezeichnet! Vorerst möchte ich mich von meiner Unverwundbarkeit überzeugen, und dann gehe ich an die Arbeit! Stehen Sie auf, Verehrtester!«
    Der Alte las es, nickte befriedigt und schrieb eilig: »Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Unsterblichkeit, Doriel Redshan! Sie werden außergewöhnliche Dinge sehen! Sie werden meinen Namen im gesamten Universum berühmt machen! In einigen Milliarden Jahren werden Sie der Beherrscher des Weltalls sein! Damit Sie sich aber von Ihrer Unverletzbarkeit überzeugen können, wollen wir zunächst ins Laboratorium gehen!«
    Sie begaben sich in den benachbarten Saal, und hier zeigte der Professor der Reihe nach auf alle Apparate. Auf die Guillotine verzichtete Redshan, auf den Kübel mit Salzsäure ebenfalls. Bei dem Tiegel nickte er zustimmend. Valmosk brach ein paar Metallstücke aus der Gußform, legte sie in den Tiegel und schaltete den Hebel ein. Redshan sah beharrlich zu, wie das Eisen im Tiegel heiß und dann allmählich flüssig wurde.
    Als das Metall anfing zu kochen, Blasen schlug und Feuerfunken versprühte, hielt Redshan vorsichtig die Hand daran. Er spürte nicht die geringste Hitze. Immer näher und näher kam er der brodelnden Masse, bis er endlich hineinfaßte. Nichts – kein Schmerz, keine Wärme, nur der merkliche Widerstand der Flüssigkeit. Da steckte Redshan den Arm in das kochende Metall und plätscherte darin herum, als sei es gewöhnliches lauwarmes

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