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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Bettlern, Bauern, schmutzigen Kindern, streunenden Hunden, Schweinen und Hühnern. Am anderen Flussufer war der Boden morastig, die Regenfälle der letzten Wochen hatten die Pegnitz über die Ufer treten lassen. Hier und da waren Bretter auf die Straße gelegt worden, damit die Fuhrwerke passieren konnten, ohne stecken zu bleiben. Der Fluss schien in diesem Teil der Stadt regelmäßig die Straßen zu überfluten, denn einige der Häuser waren auf kurze Pfähle gebaut, um sie vor den Wassermassen zu schützen. An manchen Türpfosten entdeckte Rebekka Mesusot, und ihr Herz schlug höher. Hier lebten Menschen ihres Volkes. Wie gern hätte sie an einem der Häuser geklopft und dort um Beistand gebeten. Doch das durfte sie nicht wagen. Nicht nur, weil sie ihrem Vater Gehorsam schuldete. Im Judenviertel würde Mosbach sie zuallererst suchen.
    Vom sumpfigen Ufer aus ging es bergauf, und schon bald erreichte Rebekka die Sebalduskirche. Der Lärm der Marktschreier war bereits zu hören. Rebekka umrundete die Kirche, stand wenige Augenblicke später vor einer schweren Holztür und klopfte.
    Die kleine Sichtluke in der Tür öffnete sich, und eine junge Magd mit fröhlichen blauen Augen schaute sie neugierig an. »Wer seid Ihr, und was wünscht Ihr?«, fragte sie.
    »Mein Name ist Amalie Belcredi aus Rothenburg. Dein Herr, der Kaufmann Egmund Langurius, erwartet mich.«
    Die Magd musterte sie neugierig. »Einen Augenblick«, sagte sie und schloss die Luke. Wenig später öffnete sich die Tür. »Tretet ein und folgt mir.«
    Rebekka lief hinter der Magd durch einen Korridor in eine geräumige Küche, in der eine Köchin auf einem Schemel beim Herdfeuer saß und ein Huhn rupfte. Auf der anderen Seite des Raums stand ein schwerer Tisch, auf dem allerlei Lebensmittel ausgebreitet waren: ein paar Würste, ein Korb mit Eiern, ein Laib Brot, ein Krug Milch und ein gewaltiger runder Käse. Rebekka schluckte; der Käse lag auf einem Holzbrett gleich neben den Würsten, undenkbar in einem jüdischen Haushalt, wo Fleisch und Milch streng getrennt wurden.
    Die Magd deutete auf einen Stuhl. »Der Herr heißt Euch gleich willkommen. Möchtet Ihr in der Zwischenzeit etwas zu Euch nehmen? Sicherlich seid Ihr erschöpft und hungrig von der Reise.«
    »Danke«, stammelte Rebekka. Was sollte sie nur antworten? War es unhöflich für eine Christin, ein solches Angebot abzulehnen? »Ich bin nicht hungrig«, log sie. »Aber ich würde gern etwas trinken.«
    Die Magd schenkte ihr verdünnten Wein ein. Kaum hatte Rebekka daran genippt, als ein Mann von enormer Leibesfülle die Küche betrat. Sein graues Haar wuchs spärlich, unzählige Falten zerfurchten sein Gesicht, aber die meisten davon waren Lachfalten, wie Rebekka erleichtert feststellte.
    »Ihr müsst Amalie sein«, donnerte Langurius in tiefem Bass. »Meine Reisebegleitung ins ferne Prag.«
    »Die bin ich. Und ich soll Euch Dank ausrichten von meinem Vater für die Mühen, die Ihr meinetwegen auf Euch nehmt.« Rebekka presste die Worte unter großer Anstrengung hervor. Die Aussicht, wieder einem fremden Mann auf einer Reise ausgeliefert zu sein, schnürte ihr die Kehle zu. Immerhin würden sie diesmal nicht allein unterwegs sein, sondern in einem großen Handelszug reisen.
    »Ihr seht blass aus, mein Kind. Hat man Euch Speis und Trank angeboten?«
    »Sie wollte nur einen Becher Wein, Herr«, mischte sich die Magd ein.
    Langurius nickte nachdenklich. »Sicherlich seid Ihr müde. Ada wird Euch gleich die Kammer zeigen, wo Ihr nächtigen werdet, bis der Zug aufbricht.«
    »Geht es denn nicht schon heute los?«, fragte Rebekka überrascht. Sie hatte damit gerechnet, die Reise sehr bald fortzusetzen. Wenn sie länger in der Stadt blieb, lief sie Gefahr, Hermo Mosbach über den Weg zu laufen. Rebekkas Finger umkrampften den Weinbecher. Die Erinnerung an die gestrige Nacht, die sie so mühsam zurückgedrängt hatte, überrollte sie, und mit ihr kam die Angst zurück: Hatte sie den Mann schwer verletzt? Hatte sie ihn womöglich getötet? Nein, das durfte nicht sein. Auch wenn Mosbach ihr Leben und ihre Ehre bedroht hatte, wollte sie nicht an seinem Tod schuld sein. Vorhin am Fluss hatte sie gebetet und Gott angefleht, das Leben des Mannes zu schonen. Da hatte sie noch geglaubt, dass sie ihn nie wiedersehen würde.
    »Der Zug bricht in zwei Tagen auf«, erklärte der Kaufmann. »So habt Ihr ein wenig Zeit, Euch von dem ersten Abschnitt Eurer langen Reise etwas zu erholen.« Er berührte sanft ihren

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