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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Stimme seines Vaters ließ Johann herumfahren. »Guten Morgen, Vater. Ich wollte gerade aufbrechen.«
    Heinrich von Wallhausen winkte ab. »Du brauchst nichts zu überstürzen.« Er zwinkerte Johann zu. »Ich schätze, dir dröhnt ganz schön der Schädel. Recht so! Sein Verlöbnis feiert man schließlich nicht alle Tage.« Er klopfte Johann auf die Schulter.
    Der sah seinen Vater verwirrt an. Heinrich von Wallhausen hatte stets viel Verständnis für seine gelegentlichen Ausschweifungen gezeigt, hatte ihn sogar ermuntert, Erfahrungen zu sammeln, wie er es nannte, auch bei den Weibern. Doch heute Morgen wirkte seine Fröhlichkeit aufgesetzt.
    »Was war gestern Nacht los, Vater?«, fragte Johann mit flauem Gefühl im Magen. »Ich erinnere mich, dass noch spät ein Knecht mit einer Nachricht kam. Worum ging es? Ist alles in Ordnung?«
    »Eine Angelegenheit des Stadtrats«, erwiderte von Wallhausen leichthin. »Nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen musst, mein Junge.«
    »Eine Angelegenheit des Rats? Mitten in der Nacht?«
    Von Wallhausen seufzte. »Nun gut, du wirst es ohnehin bald erfahren. Aber bitte versprich mir, dass du Ruhe bewahrst. Die Sache ist auch so schon heikel genug.«
    Johann starrte ihn an. Eine schreckliche Ahnung stieg in ihm auf. »Von was für einer heiklen Angelegenheit sprichst du, Vater?«, rief er. »Mach schon, sag es mir!«
    »Du weißt, dass es in den letzten Wochen immer wieder Ärger mit den Juden gegeben hat«, begann von Wallhausen vage.
    Johann wurde es plötzlich schwindelig. »Nein«, flüsterte er entsetzt.
    »Und gestern Nacht hat es wohl – nun, es hat wohl ein Feuer im Judenviertel gegeben. Stundenlang haben die Männer der Stadt gelöscht, Büttel, Handwerker, Knechte, Kaufleute, alle haben mit angepackt. Nur du hast wie ein Toter auf deinem Lager gelegen und deinen Rausch ausgeschlafen. Sei’s drum. Das Wetter hat uns beigestanden und uns einen kräftigen Regen geschickt. Inzwischen sind die letzten Flammen besiegt.« Von Wallhausen fuhr sich über die Stirn. »Ich komme gerade von dort. Es ist furchtbar.«
    »Und die Juden?« Johann wagte kaum zu fragen. Er hatte gehört, was sie in anderen Städten mit dem verhassten Volk getan hatten. Bisher hatte er gehofft, hier in Rothenburg würde es anders zugehen. Eine trügerische Zuversicht, wie ihm nun klar wurde.
    Sein Vater hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Für uns war das Wichtigste, dafür zu sorgen, dass das Feuer nicht auf den Rest der Stadt übergreift«, sagte er leise. »Die Ruinen waren bis eben noch zu heiß, als dass einer sie hätte betreten können. Wir werden es sicherlich bald erfahren.« Unbeholfen berührte er Johann an der Schulter. »Ich weiß, dass du eine Schwäche für diese Leute hast. Dieses Mädchen …« Er verstummte.
    Da erwachte Johann aus seiner Erstarrung. Er fuhr herum und rannte durch das Hoftor auf die Herrngasse. Ohne nach rechts oder links zu schauen, drängte er sich durch das Gewirr von Fuhrwerken, Handkarren, Mägden mit Einkaufskörben und im Dreck spielender Kinder über den Marktplatz und durch die Hafengasse bis zum Judenviertel. Noch bevor er es erreichte, nahm er den bitteren Brandgeruch wahr. Er beschleunigte seine Schritte und stieß mit einem Mann zusammen, der einen silbernen Kerzenleuchter an sich presste. Johann wollte nach dem Kerl greifen, doch der verschwand zu schnell im Gewühl. Ärgerlich wandte sich Johann ab und lief weiter.
    Schon nach wenigen Schritten hielt er entsetzt inne. Schwarze Ruinen, aus denen sich noch immer feiner Rauch schlängelte, säumten die Gasse und den Platz um die Synagoge. Das jüdische Gebetshaus war nahezu unversehrt, aber das einstige Tanzhaus war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Johanns Blick wanderte zu einem Gebäude auf der anderen Seite des Platzes. Das obere Stockwerk war eingestürzt, das untere wirkte jedoch kaum beschädigt, selbst die Mesusa in der Türfassung schien unversehrt. Da sprang die Tür krachend auf, und zwei junge Burschen stürmten heraus. Jeder von ihnen schleppte einen schweren Sack, offenbar hatten sie reichlich Beute gemacht.
    Noch bevor Johann einschreiten konnte, versperrten zwei Büttel den Burschen den Weg. »Halt, hier nimmt niemand etwas mit!«, rief einer. »Die Judenhäuser mit allem, was sich darin befindet, gehören der Stadt. Wer beim Plündern erwischt wird, wird in den Turm geworfen und schwer bestraft.«
    Noch bevor der Büttel zu Ende gesprochen hatte, ließen die Burschen die Säcke

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