Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
handelst.«
Sebastian lächelte ihn voller Stolz an. »Ihr könnt Euch auf mich verlassen. Ich schwöre bei der heiligen Mutter Gottes, dass Ihr nicht von mir enttäuscht sein werdet.«
»Gut, Junge.« Engelbert lächelte milde. »Und nun marsch. Gott sei mit dir.«
Als er wieder allein in seiner Zelle war, kehrten seine Gedanken zurück zu Rebekka. Er zweifelte nicht daran, dass Gott ihm die junge Frau geschickt hatte. Doch wollte der Herr im Himmel seinem ergebenen Diener Hilfe zukommen lassen? Wollte er ihn prüfen? Oder gar in Versuchung führen?
***
»Auf dass Gott in allem verherrlicht werde!«, sagte Fürstabt Rupert Fulbach laut. Seine Brüder sprachen es ihm nach. Alle drei waren gekommen: Abt Albert, Abt Remigius und Fürstabt Reinhard. Eine gute Gelegenheit, seinen Plan voranzutreiben.
»Damit wären wir bereits bei der Sache, meine Brüder«, fuhr Fulbach fort und musterte die Kapuzen, die die Köpfe der Männer verdeckten. Er musste keine Gesichter sehen, er erkannte alle allein an ihrem Gang, an ihrer Haltung und an ihrer Stimme. Sie hatten dennoch vereinbart, bei ihren Treffen weder ihre Namen auszusprechen, noch ihre Gesichter zu zeigen.
Fulbach hatte auf diesen Vorsichtsmaßnahmen bestanden, und er hatte zudem angeordnet, dass sie sich auf einer Waldlichtung trafen, auf der sie vor neugierigen Augen sicher waren. Kein Christ suchte diesen Ort ohne Not auf. Alle vier führten wertvolle Reliquien mit, die sie vor bösem Zauber schützen sollten, denn ihre Füße berührten verfluchten Boden: Vor zwei Jahren war hier von aufrechten Christen eine Frau verbrannt worden, die mit dem Teufel im Bunde stand.
»Karl hat die Nürnberger Juden verkauft. Ist das nicht ein gutes Zeichen?«, fragte Abt Remigius, dessen Verkleidung lächerlich war, denn seine Körperfülle war nicht zu verstecken, auch nicht unter dreißig Ellen englischer Wolle.
Fulbach unterdrückte ein Schnauben. »Im Gegenteil! Das ist ein schlechtes Zeichen. Karl benutzt die Juden wie Schlachtvieh, das er dem Meistbietenden zuschlägt. Aber in Prag laufen sie unbehelligt in der Stadt herum, stehen unter seinem Schutz. Außerdem gibt es weitere Städte, die ähnlich nachlässig sind. Gott hat uns eine schwere Aufgabe auferlegt. Und die können wir nur erfüllen, wenn Karl …«
»Um Gottes willen, sprecht es nicht aus!«, rief Abt Reinhard so laut, dass man es wahrscheinlich noch in hundert Schritt Entfernung hörte.
Fulbach verzog das Gesicht. Reinhard war ebenfalls Fürstabt und gemeinsam mit ihm Mitglied der süddeutschen Prälatenbank, dem Rat der Prälaten. Alle Mitglieder der Prälatenbank hatten gemeinsam eine einzige Stimme im Reichsfürstenrat. Lächerlich. Das würde sich ändern. Aber noch war es nicht so weit. Noch lange nicht. Mit solchen Angsthasen als Verbündeten den König zu stürzen und das Reich Gottes auf Erden zu errichten erforderte wahrlich eine schier übermenschliche Geduld.
Albert von Hannover, ein einfacher Abt, der im Unterschied zu Fulbach und Reinhard nicht über so angenehme Privilegien wie Immunität und Blutgerichtsbarkeit verfügte, sprang Fulbach bei. »Wenn Ihr es nicht aussprecht, werdet Ihr es nicht tun. Karl muss entmachtet werden. Wir müssen einen Gegenkönig aufstellen, und wir müssen verhindern, dass Karl zum Kaiser gekrönt wird. Mit allen Mitteln. Oder zweifelt Ihr?«
Reinhard und Remigius schüttelten die Köpfe.
Fulbach war sich nicht sicher, ob auf die beiden Verlass war. Nur gut, dass er Dinge über sie wusste, die sie auf den Scheiterhaufen bringen konnten. Damit hatte er sie unter Kontrolle. Immerhin waren sie sich in der Judenfrage alle einig. Und auch darin, dass es Gotteslästerung war, wenn ungläubige Händler nach Gutdünken durch das ganze Land reisen und ihre Waren feilbieten durften. Diese Gottlosen nutzten die Verderbtheit und die Maßlosigkeit der Menschen aus, die nur eins im Sinn hatten: Gewürze, Stoffe, Geschmeide. Nach diesem Tand gierten die Menschen und nicht nach einem Leben nach den Geboten Gottes. Selbst die schrecklichen Strafen, die der Herr auf die Erde schickte, die Fluten, Hungersnöte und die Pestilenz, reichten nicht aus, um dem gotteslästerlichen Treiben Einhalt zu gebieten. Und Papst Clemens VI. war der Schlimmste von allen. Seine Ausschweifungen waren in Stadt und Land bekannt. Und seine Feigheit. Aus Angst vor der großen Seuche saß der Heilige Vater seit Monaten zwischen zwei Feuern und war inzwischen fetter als Abt Remigius. Und noch immer
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