Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Christin aus Prag mit den Juden von Rothenburg zu schaffen?«, fragte der Zwerg zurück.
Rebekka senkte den Kopf. »Ich habe Freunde dort. Ich bin in Sorge um sie.« Sie zog ihren Beutel hervor. »Ich kann Euch bezahlen für Eure Mühen.«
Der Zwerg lachte kurz auf. »Geld? Ihr wollt mich kaufen? Wenn es mir um Geld ginge, könnte ich darin schwimmen. Ich verkaufe mein Wissen nicht!«
»Wisst Ihr denn etwas?«
»Nicht über die Juden. Nicht mehr jedenfalls, als die Gerüchte besagen. Es heißt, ein paar Leute hätten sich zusammengerottet, um sie zu vertreiben, doch was danach geschah, liegt im Dunkeln.«
Rebekka stieß einen tiefen Seufzer aus. So viel wusste sie auch. Konnte ihr denn niemand weiterhelfen?
»Was ist mit Eurer zweiten Frage, Amalie Severin?«
Rebekka zuckte zusammen. »Mit meiner zweiten Frage?«
»Habt Ihr keine Frage mehr?«
Rebekka dachte an die Reaktion des Chaime ben Ascher, als sie den Namen Belcredi erwähnt hatte. Doch der Zwerg war kein Jude. »Was wisst Ihr über die Familie Belcredi?«
»Aha.« Der kleine Mann lächelte wissend.
»Könnt Ihr mir etwas sagen?«
»Die Belcredis waren ein sehr angesehenes Geschlecht in Böhmen. Königstreu, gottesfürchtig, edelmütig. Doch ein Geheimnis umgab sie, ein Geheimnis, an dessen Last sie schwer trugen. Und das ihnen einige mächtige Männer zum Feind machte.«
»Was für ein Geheimnis?« Unwillkürlich flüsterte Rebekka.
»Einen Schatz, den sie hüten mussten zur Verteidigung der Christenheit.«
Rebekka schwirrte der Kopf. »Ich verstehe nicht.«
»Ihr werdet verstehen, Amalie. Eines Tages werdet Ihr verstehen, es liegt in Eurem Blut.«
Erschrocken sah sie den Zwerg an.
»Ihr tragt die Züge Eurer Mutter, Amalie.« Der Zwerg lächelte. »Keine Angst. Es gibt nicht mehr viele Menschen in Prag, die sich an sie erinnern. Doch jetzt geht. Zu viel Wissen kann manchmal schädlich sein.«
»Aber ich …«
Der Zwerg trat zur Tür. »Ich danke Euch für die Ehre Eures Besuchs, Amalie Severin«, sagte er laut.
Benommen trat Rebekka an ihm vorbei ins Freie, wo Vojtech ihr erwartungsvoll entgegenblickte. »Ich habe zu danken. Für Eure Gastfreundschaft.«
Als sie sich abwenden wollte, packte der Zwerg sie am Arm. »Ihr seid stark. Eure Gabe wird Euch den rechten Weg weisen«, raunte er ihr zu. »Aber seid auf der Hut. Traut niemandem. Niemandem . Versteht Ihr?«
***
»Das war gar nicht so schlecht!« Von der Hardenburg reichte Rebekka die Hand und zog sie aus dem Staub hoch.
Ein paar Schritte weiter stand Vila, die Stute, auf der sie reiten lernen sollte, und zupfte an einem Grashalm.
»Ich kann nicht mehr!«, stöhnte Rebekka. Jeder Knochen im Leib tat ihr weh. Wieder hatte Vila sie abgeworfen wie einen Sack Mehl. Das war wohl ein Dutzend Mal geschehen in den vergangenen drei Stunden. Und sie wusste nicht einmal, wozu die ganze Schinderei diente.
Immer wieder hatte sie über das Gespräch mit dem Abecedarium von Prag nachgedacht und sich gefragt, wovor der Zwerg sie hatte warnen wollen. Oder besser gesagt, vor wem. Dabei hatten sich ihre Gedanken weiter und weiter im Kreis gedreht wie in einem Strudel, und am Ende hatte sie nicht einmal mehr gewusst, ob der kleine Mann sich nicht einfach über sie lustig machen wollte.
»Dieses Pferd will mich nicht tragen!«, rief sie ärgerlich.
»Ach wirklich?« Engelbert trat näher. »Schreibt Euch hinter die Ohren: Ein Pferd macht niemals etwas falsch. Es liegt immer am Reiter. Ihr habt mit dem Oberkörper nach links gelenkt und die Zügel nach rechts gezerrt. Da wird das beste Pferd verrückt. Es hat Euch zu Recht abgeworfen. Bedenkt: Pferde sind Herdentiere. Sie brauchen jemanden, der ihnen sagt, was sie zu tun haben. Wenn Ihr Vila nicht führt, wird sie Euch niemals anerkennen und sich von Euch befreien, indem sie Euch abwirft.«
Rebekka ließ den Kopf hängen. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer ist.«
»Ihr macht Euch gar nicht schlecht. Immerhin könnt Ihr bereits geradeaus galoppieren, ohne Vila den Rücken zu brechen. Ihr seid biegsam in der Hüfte und habt ein gutes Gespür für die Bewegungen Eures Pferdes. Jetzt müsst Ihr noch lernen, klare Anweisungen zu geben.« Er zupfte sich einen unsichtbaren Krümel von seiner Kutte. »Und Ihr müsst nicht versuchen, wie ein Ritter zu reiten. Das müsstet Ihr jahrelang üben. Es genügt, wenn Ihr Vila klarmachen könnt, wo Ihr hinwollt und wie schnell sie laufen soll.«
Rebekka sah ein, dass Engelbert von der Hardenburg Recht
Weitere Kostenlose Bücher