Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
beruhigend auf Rebekka zu wirken. Ganz vernarrt schien sie in die Stute zu sein. Das lenkte sie davon ab, weiter nach dem Schicksal der Juden in Rothenburg zu forschen, oder schlimmer noch, sich nach den Belcredis umzuhören.
Trotzdem würde er sie im Auge behalten. Der Mann, der sie in seinem Auftrag beschattete, würde ihm weiterhin jede Kleinigkeit berichten, die sie tat, jeden Schritt, den sie machte, und den Namen jeder Person, die sie traf. Sie war im Judenviertel gewesen, was sie ihm freimütig berichtet hatte. Danach hatte sie ihn zum Haus des Kaufmanns Gansenberg geschleppt, der jedoch glücklicherweise abwesend war. Diese Spur verlief also im Sande. Gestern hatte sein Mann Rebekka im Gewühl der Straßen aus den Augen verloren. Sie war dabei gewesen, die Besorgungen zu machen, die er ihr aufgetragen hatte. Kein Grund zur Beunruhigung also, dennoch ärgerlich.
Engelbert eilte durch den Korridor, durchmaß den Hof und hielt auf das Tor zu. Schon von Weitem hörte er aufgeregtes Geschrei.
Der Komtur stand im Torbogen, vier Ritterbrüder hielten mit gezogenem Schwert zwei ärmlich gekleidete Männer in Schach, die ihre Arme in die Höhe warfen und lautstark immer wieder dasselbe schrien: »Damit haben wir nichts zu tun! Wir sollten nur den Korb hier abgeben. Wir haben gedacht, es sei verdorbenes Fleisch.«
Engelbert trat hinzu, und schon stieg ihm ein Geruch in die Nase, den er nur zu gut kannte. In dem Korb lag verdorbenes Fleisch, keine Frage. Er wappnete sich für den Anblick und warf einen Blick in das Behältnis. Beim allmächtigen Herrscher! Engelbert bekreuzigte sich.
Im Inneren des Korbs lag ein Mensch, ein Jüngling, der unter unvorstellbaren Qualen sein Leben ausgehaucht hatte. Sebastian Pfrümler, der Novize, den er beauftragt hatte, sich über die Familie Belcredi kundig zu machen. Wer auch immer ihn getötet hatte, hatte sich nicht damit begnügt, Sebastian das Leben zu nehmen. Mit allen denkbaren Raffinessen hatten die Mörder den Novizen gefoltert. Danach hatten sie ihn zerlegt wie einen Ochsen: Die Beine lagen neben dem abgetrennten Kopf, die Arme gekreuzt über dem Torso, der mit dem Rücken nach oben in den Korb gestopft worden war; das Gemächt hatten sie dem Jungen in den Rachen gestopft. Nach seinem blau angelaufenen Gesicht zu urteilen, war er daran erstickt.
Die Botschaft konnte klarer nicht sein. Es war eine Warnung. Und sie war an ihn gerichtet, an Engelbert von der Hardenburg. Dass mit dem Namen Belcredi ein Geheimnis verbunden war, damit hatte er gerechnet, dass es ein so dunkles, ein so gefährliches war, hatte er nicht geahnt.
Mühsam bewahrte er Haltung. Er befahl seinen Brüdern, die beiden Boten zu befragen, aus ihnen herauszupressen, wer sie für die Lieferung des Korbs bezahlt hatte. Viel Hoffnung machte er sich nicht. Die beiden kannten vermutlich nicht einmal das Gesicht ihres Auftraggebers.
Als er allein mit den sterblichen Überresten von Sebastian Pfrümler war, kniete er nieder. »Herr im Himmel, verzeih mir, dass ich dieses unschuldige Kind solchem Leid ausgesetzt habe«, betete er. »Ich wusste nicht, welcher Gefahr ich ihn auslieferte.«
Schwerfällig erhob sich Engelbert. Er würde sich von dieser Warnung nicht einschüchtern lassen. Im Gegenteil, sie verriet ihm, dass er einer großen Sache auf der Spur war. Allerdings war von jetzt an höchste Vorsicht geboten. Mit seinen Gegnern war nicht zu spaßen, und sie mussten tollkühn sein, wenn sie sich mit dem Deutschen Orden anlegten, wenn sie Engelbert von der Hardenburg und damit den König herausforderten.
***
Tassilo Severin stand vor Rebekka und musterte sie von oben bis unten. Sie waren allein, das Gesinde war bereits auf dem Weg zu den Krönungsfeierlichkeiten. Tassilo behandelte seine Mägde und Knechte gut, und deshalb hatte er ihnen erlaubt, heute die Arbeit ruhen zu lassen und sich zu Ehren der neuen Königin zu vergnügen. Rebekka fühlte sich wohl bei dem Händler, er hatte sich nicht nur als freundlich, sondern auch als großzügig erwiesen. Und er stellte keine Fragen nach ihrer Herkunft.
»Bei allem, was recht ist, du bist eine schöne Frau und eine Zierde für meinen Haushalt. Wer hätte gedacht, dass ich eine solch außergewöhnliche Nichte habe.« Er lachte leise. »Wenn du hierbleiben möchtest, ein Wort, und ich sorge dafür, dass dein Wunsch verbrieft wird. Seit du hier bist, habe ich das Gefühl, die Sonne ist in mein Heim zurückgekehrt.« Seine Augen schimmerten feucht, schnell wischte
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