Die Rettung
fiel.
4. Kapitel
Dylan kehrte zu seinem Haus zurück und schob das Breitschwert zu den beiden anderen in das Dachstroh. Er würde eine neue Scheide anfertigen müssen, da er die alte längst verkauft hatte. Aber es dürfte ihm nicht schwer fallen, eine ähnliche einfache Lederscheide wie für den Kavalleriesäbel zu nähen, die er an seinem Wehrgehenk befestigen konnte. Vermutlich war es sogar noch einfacher, das Breitschwert hatte ja keine gebogene Klinge. Er ging ins Haus.
Sarah stand am Feuer und rührte in dem Eisentopf, in dem der graue Haferbrei dampfte. Es war ein großer Topf; er enthielt das Frühstück für zwei Erwachsene, drei lebhafte Jungen und ein kleines Mädchen. Auf dem Tisch standen Butter und Salz, um den Brei damit zu verfeinern, aber keine Milch, da die Kühe, die Schafe und die Ziege Ginny Junge hatten und noch ein paar Wochen lang keine Milch geben würden.
Die kleine Sile rannte auf ihren Vater zu, und er schwang sie hoch in die Luft, um sie zum Lachen zu bringen. Dann nahm er sie in die Arme, bohrte den Kopf in ihren Bauch und knurrte dabei laut, bis Sile vor Begeisterung quiekte und mit ihren kleinen Beinchen strampelte. Als Dylan sie auf den Boden stellte, hob sie die Arme, sprang auf und ab und bettelte ihn an, das Spiel zu wiederholen. Er tat ihr den Gefallen, doch als sie dann immer noch nicht genug hatte, schüttelte er entschieden den Kopf.
Sarahs Söhne Eóin und Gregor, die elf und neun Jahre alt waren, saßen bereits am Tisch und stritten sich über irgendetwas, das die neue Schule betraf.
Dem Laird war es gerade in diesem Jahr gelungen, einen katholischen Lehrer aus Aberdeen dazu zu bewegen, in Ciorram zu unterrichten. Die Ausübung des katholischen Glaubens war gegen das Gesetz, und die Krone ahndete die Verbreitung der Glaubenslehren besonders streng. Der Lehrer ging ein großes Risiko ein, denn wenn Major Bedford von der hiesigen Garnison von der neuen Schule erfuhr, drohten ihm empfindliche Strafen. Doch wie viele andere auch war er bereit, dieses Risiko auf sich zu nehmen, weil seine Religion es ihm gebot.
Dem im Amerika des 20. Jahrhundert aufgewachsenen Dylan erschien es als die einfachste Lösung, einen protestantischen Lehrer zu verpflichten und ihm die weltliche Ausbildung der Kinder zu übertragen, während die religiöse Erziehung zu Hause stattfand. Doch er hatte inzwischen eingesehen, dass jeglicher Unterricht untrennbar mit religiösen Fragen verbunden war, da die Lehrer keinen Glauben außer ihrem eigenen gelten ließen und jede Gelegenheit nutzten, andere Religionsgemeinschaften in Grund und Boden zu verdammen. In den letzten Jahren hatte zudem eine Organisation, die sich »Schottische Gesellschaft zur Verbreitung christlicher Lehren« nannte, katholischen Familien die Unterbringung ihrer Kinder in öffentlichen Schulen deutlich erschwert. Da sie Fibeln mit Titeln wie Die Gefahren des Papistentums und Ähnlichem verwendeten, blieb den katholischen Familien nur die Wahl zwischen aggressiv antikatholischem oder gar keinem Unterricht.
Zum Glück erlaubten es Ciorrams abgelegene Lage, die fast ausschließlich katholische Bevölkerung, Iains Verbindungen zu anderen katholischen Lairds sowie seine ererbte Gerichtshoheit, Messen zu lesen, Trauungen zu vollziehen und Begräbnisfeierlichkeiten abzuhalten, ohne dass die Soldaten ihnen deswegen das Leben allzu schwer machten. Es gab noch weitere Schulen, die von katholischen Lairds wie dem Duke of Gordon ins Leben gerufen worden waren und relativ unbehelligt blieben, doch in dem kleinen Glen Ciorram, auf das die Rotröcke von König Georges Armee ein scharfes Auge hatten, barg die Ausübung des katholischen Glaubens zahlreiche Risiken. Vater Turnbull lief jedes Mal Gefahr, verhaftet und deportiert zu werden, wenn er mit Rosenkranz, Weihwasser und ähnlichen Utensilien im Gepäck das Tal besuchte. Er kam und ging daher stets im Schutz der Dunkelheit oder wurde in das Tal hinein- und wieder herausgeschmuggelt.
Aus diesen Gründen hielt sich auch der neue Lehrer nach Möglichkeit von den Rotröcken fern, denn ihm drohte dieselbe Strafe. Der Unterricht fand in der Burg und nicht in der Kirche statt, doch auch hier konnte es jederzeit passieren, dass die Soldaten die Räume durchsuchten und nach Anzeichen für illegale Aktivitäten Ausschau hielten. Und das bereitete ihnen großes Vergnügen, denn das abgelegene Ciorram war ein langweiliger Posten, und das Schikanieren der Bewohner stellte die einzige Abwechslung
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