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Die Rettung

Titel: Die Rettung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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dar.
    Daher diente eine fensterlose Kammer hinter der Speisekammer über der Küche als Klassenzimmer. Einst hatte es dort drei Zisternen zum Auffangen von Regenwasser gegeben, nun waren es nur noch zwei; dafür standen einige Tische und Bänke in dein feuchten, muffig riechenden Raum. Zwar fanden Durchsuchungen trotz allem eher selten statt, dennoch waren sich die Kinder der Gefahr, in der sie schwebten, ständig bewusst, und so erhielten sie nicht nur Unterricht in Schreiben, Lesen und Rechnen, sondern lernten zugleich auch, die englischen Besatzer abgrundtief zu hassen.
    Während sich Eóin und Gregor über die Schule unterhielten, versuchte Ciaran ständig, sie zu unterbrechen, um mit seinen Kung-Fu-Stunden zu prahlen. Eóin zeigte sich wenig beeindruckt, da er schon seit seinem achten Lebensjahr am sonntäglichen Unterricht der Erwachsenen teilgenommen hatte. Er ignorierte Ciaran, der noch viel zu klein war, um die Schule zu besuchen und sich deswegen an der Unterhaltung nicht beteiligen konnte. Doch als der Kleine keine Ruhe gab, versetzte ihm Gregor einen Schlag auf den Kopf, um ihn zum Schweigen zu bringen.
    »Hey!« Dylan beugte sich vor und packte Gregor am Arm. »Wenn du dich prügeln willst, dann tu das mit Jungen deines Alters. Nur Feiglinge vergreifen sich an kleinen Kindern.«
    Gregor riss sich los und sah ihn finster an. Ciaran rieb sich schweigend den Hinterkopf.
    Dylan funkelte Gregor ärgerlich an. »Na schön, mein Junge, mach nur so weiter. Aber wenn du ihn noch einmal schlägst, erzähle ich im ganzen Tal herum, dass du dich nur an vierjährige Kinder herantraust.«
    Danach würdigte ihn Gregor keines Blickes mehr, wagte aber auch nicht, Ciaran weiter zu piesacken.
    Coinneach Matheson steckte den Kopf zur Tür herein und pfiff nach den Hunden. Dann griff er nach Dylans Stab mit dem Bärenkopf, der neben der Tür stand, und rannte mit den Hunden zum Schafpferch, um die Herde herauszulassen. Er wollte sie auf die Hügel treiben, damit sie dort nach Futter suchen konnten.
    Die meisten Highlandbauern hielten ihre Schafe den Winter über zusammen mit den Rindern im Stall im Haus, doch einige Männer von Ciorram waren Dylans Beispiel gefolgt und hatten Pferche im Freien gebaut, wo die Tiere den Winter verbrachten. In der Kälte wuchs ihnen ein wesentlich dickeres Vlies, und wenn man sie auch im Winter auf die Weide trieb, sparte man einen Teil des kostbaren Futters ein - was allerdings bedeutete, dass die Männer selbst ebenfalls mehr Zeit als sonst in der grimmigen Kälte verbringen mussten. Zur Überraschung des ganzen Tales war während der vergangenen drei Jahre kein einziges Tier eingegangen, und die Wollproduktion hatte erheblich gesteigert werden können.
    Dylan trug den Nachttopf hinaus, um ihn über dem Komposthaufen am anderen Ende seines Hofes auszuleeren. Nachdem er den Inhalt weggekippt hatte, murmelte er einen leisen Fluch und spie verächtlich auf den Berg aus Tiermist, Abfällen und welken Blättern. So hielt er es seit dem Tag, an dem er den Mörder seiner Frau getötet hatte. Danach ging er zum Bach hinunter, spülte den Topf aus und stellte ihn wieder auf den Stuhl hinter dem Vorhang zurück.
    Inzwischen prasselte das Feuer im Kamin, der Haferbrei war fast fertig, und im Raum war es so warm geworden, dass Dylan seinen Mantel ausziehen konnte. Er hängte ihn an den Haken neben der Tür und zupfte sein Plaid zurecht. Jetzt musste er dem hungrigen Vieh im Stall Futter bringen - die Tiere muhten schon laut und stampften mit den Hufen -, trotzdem blieb er einen Moment bei seiner kleinen Tochter sitzen und lauschte ihrem Babygeplapper und der Unterhaltung der Jungen im Hintergrund.
    Sile ähnelte wie ihr Bruder vom Aussehen her eher ihm, auch sie hatte dunkles Haar und blaue Augen. Doch im Gegensatz zu Ciaran hatte sie auch viel von ihrer Mutter. Ihr Lächeln, das jetzt noch eine Reihe weißer Milchzähnchen entblößte, würde eines Tages Caits Lächeln sein. Und genau wie ihre Mutter hatte sie eine so blasse Haut, dass die Adern darunter bläulich schimmerten, sowie die roten Lippen aller Frauen ihrer Familie. Nur von wem sie ihre Lockenpracht geerbt hatte, wusste niemand. Da keiner im Tal und keiner von Dylans engerer Familie in Tennessee eine solche Menge Korkenzieherlocken aufwies, vermutete Dylan, dass sie das Erbe irgendwelcher entfernter Verwandter von seiner Seite aus sein mussten.
    Sarah trug das Frühstück auf. Die Jungen setzten sich ordentlich hin, Sarah und Dylan nahmen auf

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