Die Rettung
Männer, die gerade den Burghof überquerten. Und er sah auch Sinann, die hinter Dylan herschwirrte.
»Die Fee! Die Fee!«, kreischte er entzückt, deutete mit dem Finger auf sie und hüpfte von einem Bein auf das andere. Er war barfuss, trug aber wegen der Kälte einen zerschlissenen Kilt über seinem Hemd, der um seinen Körper schlotterte wie eine lose Tunika. Ein Ende schleifte über den Boden. Er folgte den Männern durch die schwere Tür in die große Halle. Ranald war etwas jünger als Artair, geistig jedoch auf dem Stande eines Kleinkindes. Wer seine Eltern waren, wusste niemand. Alle Bewohner Glen Ciorrams kümmerten sich um ihn, wenn es nötig war, und Iain ließ ihn in der Burg wohnen. Obwohl Dylan schon seit Jahren im Tal lebte, war Ranalds Herkunft ihm immer noch ein Rätsel. Die Leute hielten ihn für einen Wechselbalg, den die Feen mit einem ihrer Kinder vertauscht hatten.
Dylan wusste nur zu gut, dass dies nicht zutraf, denn Sinann wies die Unterstellung, Ranald könne zu den Sidhe gehören, stets voller Empörung von sich. Sie fürchtete sich vor ihm, da er der Einzige war, vor dem sie sich nicht unsichtbar machen konnte, und mied ihn daher, so gut es ging. Trotzdem hielt der Clan ihn für ein Feenkind und behandelte ihn dementsprechend. Er verdiente seinen Lebensunterhalt durch Handlangerdienste, wenn man ihn dazu überreden konnte - was nicht oft geschah, denn es war einfacher und weniger nervenaufreibend, ihm einfach zu essen zu geben und ihn dann spielen zu schicken, als zu versuchen, ihn zu sinnvoller Arbeit anzuhalten. Jetzt tanzte er um Dylan herum, zeigte aufgeregt auf Sinann und ließ dazu ein ohrenbetäubendes Geschrei hören.
Artair, der fest entschlossen war, weiter gegen Dylan zu hetzen, verschaffte sich mit lauter Stimme Gehör. »Nur ein erbärmlicher Feigling sieht tatenlos zu, wie der Mörder seiner Frau auch weiterhin seine Familie schikaniert. Wartest du darauf, dass er noch ein paar Frauen umbringt?«
Sie betraten die Halle. Das Abendessen war bereits vorüber, die Tische waren abgeräumt und zum größten Teil an die Wand geschoben worden. Am Kamin saßen ein paar Männer, steckten die Köpfe zusammen und diskutierten leise auf Englisch miteinander. Artair setzte seine Tirade fort. Er sprach so laut, dass seine Stimme von den Wänden widerhallte und jeder der Anwesenden ihn genau verstehen konnte. »Ich sage, du drückst dich vor deiner Pflicht, weil du Angst hast, du könntest vielleicht eine kleine Schramme davontragen. Gib es doch endlich zu!«
Dylan fuhr mit der Zunge über die wulstige Narbe auf der Innenseite seiner Wange, wo ihn Ramsays Rapier getroffen hatte. An diesem Tag hatte er mehr als nur eine kleine Schramme davongetragen. Er trug seinen Bart gerade so lang, dass er die Narbe außen an seiner Wange verdeckte, damit niemand sie bemerkte und ihn danach fragte. Immer wenn das Gespräch auf den Mord an Cait kam, bemühte er sich, unauffällig das Thema zu wechseln. Er konnte und wollte den anderen nicht erklären, warum er Bedford nicht getötet hatte.
Sinann stand hinter Dylan und versuchte sich vor Ranald zu verstecken, was ihr aber nicht gelang. Der verwirrte junge Mann umtanzte Dylan weiter lachend und zeigte immer wieder mit den Fingern auf die Fee.
Auch Iain Mór, der Laird des Matheson-Clans, saß bei der Gruppe am Feuer. Er sprach mit einem Mann, der eine Perücke, schlichte Wollhosen und einen dunklen Mantel trug und auf Dylan wie ein Lowlandhausierer wirkte. Der Laird dagegen stellte sein bestes Hemd und einen neuen Kilt zur Schau, und an seiner Seite hing das schimmernde Schwert mit dem silbernen Griff, das seit über hundert Jahren von jedem Laird an seinen Nachfolger weitergegeben wurde. Es war ein Geschenk von James I., dem ersten König Englands aus dem Hause Stuart. Dass Iain die kostbare Waffe in aller Öffentlichkeit trug, gab Dylan zu denken, denn sie hatte schon vor dem Entwaffnungsgesetz fast ausschließlich in Iains Schreibzimmer gehangen. Außerdem kam ihm der Besucher irgendwie bekannt vor, was seine Neugier zusätzlich anstachelte.
Der alte Malcolm Taggart, Iains fear-còmnaidh - seine rechte Hand - und Vetter mütterlicherseits saß auf einer Bank ganz in der Nähe und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Tisch. Er sah aus, als wäre er eingenickt, doch Dylan wusste, dass er nur mit geschlossenen Augen schweigend zuhörte, wie es seine Gewohnheit war.
Dylan beschloss, dass es jetzt an der Zeit war, Artair endgültig das Maul zu
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