Die Rettung
Mehl am Grund des Garnisonsbrunnen gefunden worden seien. Dylan schloss die Augen und wünschte Artair insgeheim die Pest an den Hals.
Sowohl Bedford als auch MacCorkindale kochten mm vor Wut. Das Verhör zog sich noch etliche Stunden hin, wie Dylan nach dem Stand der Sonne schätzte, führte jedoch zu nichts. Bedford und MacCorkindale beschuldigten ihn hartnäckig, mehr über den Diebstahl zu wissen, als er zugab, Dylan stritt ebenso hartnäckig alles ab, bis Bedford des Spielchens überdrüssig wurde und befahl, ihn in seine Zelle zurückzuschaffen.
Nachdem die Angst vor der Peitsche vorerst verflogen war, ergriff erneut rasende Wut von Dylan Besitz. In der Zelle zerrte er fast eine Stunde lang wie wild an der Kette, mit der sein Knöchel an die Eisenstange gefesselt war, obgleich er wusste, dass es ihm nie gelingen würde, sich zu befreien. Erst als seine Schulter zu schmerzen begann und seine Finger rot und wundgerieben waren, schloss er die Augen und ließ sich erschöpft gegen die Zellenwand sinken. Er hasste diesen Ort und alle, die ihn bevölkerten. Ohne auf die verwunderten Blicke seiner Zellengenossen zu achten, gab er sich eine Weile ganz seinem verzehrenden Hass auf die Engländer hin.
Es dauerte lange, bis er sich wieder beruhigte und über sich und seine missliche Lage nachzudenken begann. Die Wut lauerte jetzt wie ein jederzeit zum Sprung bereites Tier in einem Winkel seines Verstandes, sodass er im Stande war, sein Verhalten ganz nüchtern zu analysieren. Ihm fiel auf, dass die unkontrollierbare Raserei nur in ganz bestimmten Situationen von ihm Besitz ergriff. Und seine Kinder hatten die Macht, sie zu vertreiben. Wenn er mit Ciaran und Sile zusammen war, blieben die fürchterlichen Wutanfälle aus; die Kinder schienen eine beruhigende Wirkung auf ihn auszuüben. Die Wut gewann nur die Oberhand, wenn sein Stolz verletzt wurde oder er körperlichen Schaden davontrug. Dann setzte sein logisches Denken für eine Weile aus, ein roter Schleier legte sich vor seine Augen, und das Summen in seinem Kopf trieb ihn zu Handlungen, von denen er ganz genau wusste, dass sie falsch waren. Allmählich fürchtete er, irgendwann einmal eine Grenze zu überschreiten und vollends in den Wahnsinn getrieben zu werden.
Plötzlich fragte er sich, ob es seinem Vater wohl ebenso ergangen war wie ihm jetzt. Hatte auch er gegen diese alles erstickenden Wutanfälle einfach nicht ankämpfen können? Gab es in ihrer Familie etwa eine Art genetischen Defekt? Würde auch er als gewalttätiger Schläger enden, so wie sein Vater? Die Vorstellung jagte ihm einen Schauer über den Rücken, und er schüttelte abwehrend den Kopf. Nein, so weit würde er es nicht kommen lassen. Nie würde er so werden wie sein Vater, selbst wenn es ihm eine übermenschliche Beherrschung abfordern sollte, das zu verhindern.
Drei Tage lang wurden die Männer in der Garnison festgehalten und abwechselnd verhört. Alle paar Stunden - ob nun bei Tag oder bei Nacht - wurde einer von ihnen in den Verhörraum geschleift später wieder in die Zelle zurückgebracht und der nächste mitgenommen. Dylan blieb auch unter Androhung der Peitsche dabei, den MacDonells die Schuld zuzuschieben, obwohl er genau wusste, dass Artair der Täter war. Wenn sie erst wieder frei waren, wollte er dem Grünschnabel eine Lektion erteilen, die der nie vergessen würde.
Am dritten Tag ihrer Haft wurden sie entlassen und kehrten hungrig, erschöpft, schmutzig und mit bis zum Zerreißen gespannten Nerven in das Tal zurück. Dylan schämte sich ein wenig, weil er so erleichtert war, einer Auspeitschung entronnen zu sein.
Während seiner Haft hatten zwei seiner Schafe gelammt, doch die Lämmer waren ein wenig zu früh auf die Welt gekommen und am Tag seiner Entlassung eingegangen. Wenigstens konnten die Mutterschafe jetzt gemolken werden. Dylan gerbte die beiden Felle und tauschte eines davon bei Nana Pettigrew gegen ein Kleid für Sile und ein neues Hemd für sich selbst ein. Seine alten Hemden waren an Schulter und Ellbogen gefährlich dünn geworden und wiesen in der Gürtelgegend große Löcher auf. Ein Hemd, in dem man keine Gegenstände transportieren konnte, war als Kleidungsstück völlig nutzlos.
Er ging mit seinem neuen Hemd sofort nach Hause, um sich umzuziehen. Im Wohnraum schob er das Plaid von seiner Schulter und schlang es sich um die Taille, damit es nicht über den Boden schleifte, dann zog er sich die beiden alten Hemden über den Kopf. Das zerschlissenere der beiden
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