Die Rettung
darf? Dass ich mit Dämonen im Bunde bin und dass meine Mutter ein Seehund war?«
Der Leutnant lächelte ebenfalls. »Aye. Ganz offensichtlich steht Ihr mit den Kleinen Leuten auf gutem Fuß. Ihr seid der einzige Mann im Tal, der regelmäßig den broch besucht. Noch nicht einmal ich wage mich dorthin.«
Der letzte Satz entlockte Dylan ein leises Kichern. »Sehr klug von Euch. Haltet Euch lieber von dem Turm fern, wenn Ihr nicht wollt, dass die Feen Euch Euren hübschen roten Rock in Fetzen vom Leibe reißen.« Sinanns Macht war zwar im Laufe der Jahre dahingeschwunden, reichte aber noch aus, um Knöpfe von englischen Uniformen abspringen und Nähte aufplatzen zu lassen, was sich schon oft als hilfreich erwiesen hatte. Dylan blickte sich im Raum um. Wann wollte sich die verflixte Fee endlich wieder einmal sehen lassen?
»Ich möchte mit Euch über den letzten Versuch der Ja-kobiten sprechen, James Stuart auf den Thron zu bringen. Ihr wart an dem Aufstand beteiligt.«
Dylan straffte sich. »Ich bin begnadigt worden. Das Dokument mit dem Siegel des Königs liegt hinter Euch im Schrank.«
MacCorkindale musterte den Schrank flüchtig, nickte und drehte sich wieder zu Dylan um. Natürlich wusste er von der Begnadigung. »Dann werdet Ihr ja sicher so vernünftig sein, Euch in Zukunft aus solchen Schwierigkeiten herauszuhalten. Euch ist bekannt, dass ein neuer Aufstand droht?«
»Och.« Dylan umklammerte die Stuhllehne so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Wenn Ihr glaubt, ich würde mein Leben freiwillig für eine verlorene Sache aufs Spiel setzen, müsst Ehr verrückt sein.«
»Ihr hasst die Engländer und König George?«
»Ich verabscheue die englische Armee. Euer roter Rock verursacht mir Übelkeit.« Wieder ergriff eine unzähmbare Wut von ihm Besitz. Um Beherrschung ringend konzentrierte er seine Gedanken auf seinen Vater. Auf keinen Fall durfte er so werden wie der alte Säufer. Allmählich löste sich der rote Nebel vor seinen Augen auf, und er konnte wieder halbwegs klar denken.
»Ihr habt zwar aufseiten der Jakobiten gekämpft, wart aber kein überzeugter Anhänger des Prätendenten, wie ich hörte.«
Dylan zwinkerte verwirrt. »Seit wann interessiert sich die Krone für das, was ich denke und fühle? Ihr wolltet damals doch nur wissen, wo ich mich zu Zeiten des Aufstandes aufgehalten habe. Außerdem haben viele Männer seiner Zeit nur für die Jakobiten gekämpft, weil es ihnen von ihren Lairds befohlen worden war, denen gegenüber sie zur Loyalität verpflichtet sind. Auf ihre persönlichen Gefühle wurde keine Rücksicht genommen.«
MacCorkindale nickte. »Und Ihr gehörtet nicht dazu?«
»Nein, ich bin mit dem Gesetz in Konflikt geraten, weil ich zu Unrecht beschuldigt wurde, in verschiedenen Briefen zum Sturz der Königin aufgerufen zu haben. Selbst wenn ich George für den wiedergeborenen Heiland gehalten und unbe-dingt in seine Armee hätte eintreten wollen, wäre ich gezwungen gewesen, auf Seiten der Jakobiten zu kämpfen.«
Er deutete mit dem Finger auf den Rotrock. »Was aber nicht heißt, dass ich George unterstütze. Wollt Ihr wissen, wie ich über all das denke? Ich halte diese ewigen Kämpfe für dumm, überflüssig und eine schändliche Verschwendung von Menschenleben.« Obwohl die amerikanische Verfassimg erst in ungefähr sechzig Jahren in Kraft treten würde und die Trennung von Staat und Kirche nur als schwache Hoffnung in den Herzen einiger radikal denkender Menschen existierte, konnte er mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg halten. »Wegen der Frage, ob nun ein katholischer oder ein protestantischer Herrscher auf dem Thron sitzen soll, einen Krieg anzuzetteln, ist einfach zu ...«
»Es gibt Leute, die jetzt behaupten würden, dass Ihr die einzig wahre Religion verratet, wenn Ihr solche Ansichten vertretet«, unterbrach ihn der Leutnant ruhig.
Dylans Augen wurden schmal. MacCorkindale war anscheinend immer für eine Überraschung gut. »Ihr seid also tatsächlich ein Katholik? Dabei fällt mir ein, dass ich schon mehrmals gesehen habe, wie Ihr Euch bekreuzigt habt, wenn Ihr Euch unbeobachtet glaubtet. Stört es Euch denn nicht, dass der König, dem Ihr die Treue geschworen habt, nicht nur ein Protestant ist, sondern noch dazu die Katholiken grausam verfolgt?«
MacCorkindale nickte. »O doch.«
Beide Männer verstummten, als fürchteten sie plötzlich, belauscht zu werden. Was der Leutnant soeben gesagt hatte, grenzte schon an Verrat; Dylan hätte nie gedacht,
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