Die Rettung
sah sie ihn so erwartungsvoll an, dass er doch etwas äußern musste. So krächzte er nur: »Es tut mir Leid.«
Ein verwirrter Ausdruck trat in ihre Augen. »Was denn?«
Schulterzuckend blickte Dylan zu den restlichen Schafen hinüber, die in dem großen Pferch ziemlich verloren wirkten. »Dass du Angst haben musst.« Würde sie verstehen, was er ihr sagen wollte?
Sie verstand nicht, das las er schon in ihrem Gesicht, bevor sie es ihm bestätigte. »Ich habe keine Ahnung, was du meinst.« Ihre Wangen röteten sich leicht. Dylan sah sich gezwungen, sich deutlicher auszudrücken.
Unsicher scharrte er mit dem Fuß über den Boden. »Weißt du, ich wünschte, ich könnte die Rotröcke einfach davonjagen und dafür sorgen, dass sie uns nie wieder belästigen.« Sarah kicherte, und er lächelte erleichtert. Dann fügte er hinzu: »Das wäre meine Pflicht gewesen, und ich habe sie nicht erfüllt.«
Lange herrschte Schweigen. Dylan begann sich schon zu ärgern, dass er überhaupt davon angefangen hatte. Aber statt das Thema zu wechseln, wie es die Vernunft ihm gebot, versuchte er noch einmal, Sarah zu erklären, was er meinte. »Genau wie ich damals nicht für Cait da war, als sie mich gebraucht hat.«
Sarah schluckte. »Aye, ich verstehe. Cait.«
»Ich fühle mich schuldig.«
Sarah nickte. Dylan wusste nicht recht, was er eigentlich erwartet hatte, aber irgendwie war er enttäuscht. Vielleicht hatte er insgeheim gehofft, sie würde sagen, er trage überhaupt keine Schuld an Caits Tod und müsse sich auch keine Vorwürfe machen. Doch sie schwieg. Und gerade jetzt, wo das lebensnotwendige Vieh des Clans dazu bestimmt war, die unersättlichen englischen Besatzer zu ernähren und wo er sich besonders schwach und hilflos fühlte, hätte ihm ein tröstliches Wort gut getan.
»Wir müssen etwas unternehmen«, ereiferte er sich. »Das, was sie uns gelassen haben, reicht nicht zum Leben.« Doch seine Worte klangen sogar in seinen eigenen Ohren hohl.
»Ich bin sicher, Iain Mór weiß, was zu tun ist. Er wird die richtige Entscheidung treffen.«
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und ging ins Haus. Dylan sah ihr seufzend nach. Ihm fiel nichts mehr ein, was er ihr hätte sagen können, aber er wusste auch nicht, was er eigentlich von ihr hören wollte. Doch dann fragte er sich, warum er sich darüber überhaupt Gedanken machte.
Auf dem Weg zurück zum Haus blieb er plötzlich verwundert stehen, als ein kleiner Gegenstand direkt vor seiner Nase zu Boden fiel. Er bückte sich, tastete mit den Fingern das Gras ab und stieß auf etwas Hartes. Einen Ring.
»Nanu?« Auch ein Blick zum Himmel verriet ihm nicht, wo der Ring hergekommen war. Ganz gewiss war er nicht aus einem Flugzeug gefallen. Er konnte auch in der Umgebung niemanden entdecken, der ihn geworfen haben konnte. Außerdem war das Ding schnurgerade zu Boden gefallen. Als ob es jemand einfach fallen gelassen hätte.
Dylan drehte den Ring prüfend hin und her und steckte ihn dann auf seine Fingerspitze, um ihn nachdenklich zu betrachten. Er war aus Silber, mit drei kleinen Opalen besetzt und aus lauter ineinander verschlungenen Reifen gefertigt. Ein altes keltisches Muster. Dylan stutzte. Er konnte kaum feststellen, wo die Reifen begannen und wo sie endeten.
Opale flößten ihm Unbehagen ein. Angeblich sollten die Steine Unglück bringen. Am liebsten hätte er den Ring fortgeworfen, aber dazu war er zu wertvoll. Also legte Dylan ihn zu seinem Götterstein und seinem Geldbeutel in seinen sporran und beschloss, ihn so schnell wie möglich zu verkaufen.
Dann blickte er ein letztes Mal zum Himmel empor. Außer Wolken war dort nichts zu sehen.
14. Kapitel
»Bedford scheint zu glauben, wir könnten Schillinge essen!« Artair saß neben seinem Bruder am Kamin der großen Halle. Der ceilidh an diesem Sonntag nach der Übergabe des Viehs an die Soldaten war besonders gut besucht. Die Männer des Tales steckten die Köpfe zusammen und beratschlagten aufgeregt, was jetzt zu tun sei, um das Überleben des Clans zu sichern. Die Frauen am anderen Ende des Raumes gaben vor, in ihre eigenen Gespräche vertieft zu sein, verstummten aber häufig und lauschten der Unterhaltung der Männer. Auch sie wollten wissen, was ihnen noch alles bevorstand.
Die Krone hatte für die Rinder und Schafe die üblichen Winterpreise gezahlt - eine klägliche Summe, da die Tiere noch keine Zeit gehabt hatten, auf der Weide Fleisch anzusetzen. Aber selbst mit diesem wenigen Geld konnte der Clan nichts
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