Die Rettung
auch nur durch die mütterliche Linie.
Dylan war sich darüber im Klaren, dass es besser wäre, Artair im Augenblick nicht unnötig herauszufordern, da er vermutlich den Kürzeren ziehen würde. Ihm lag nur daran, mit genug Rindern nach Glen Ciorram zurückzukehren, um dem Clan über die nächsten Monate hinwegzuhelfen.
Bevor er die Augen schloss, bekreuzigte er sich und murmelte leise ein Gebet, das ihm in der letzten Zeit zur lieben Gewohnheit geworden war: »Lieber Gott, gib mir die Kraft, mich den Prüfungen zu stellen, die das Schicksal mir auferlegt. Lass mich meine Pflicht gegenüber den Meinen erfüllen und hilf mir, stets nach Ehre und Gewissen zu handeln. Lass meine Kinder in Frieden und Sicherheit aufwachsen und vereine mich am Ende meines Lebens wieder mit meiner geliebten Cait. Amen.« Dann schlang er sein Plaid um sich und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Auf dem Weg zu den Weiden der MacDonells ließen die Mathesons jede nur erdenkliche Vorsicht walten. Sie mieden die Nähe bewohnter Häuser und folgten einem schmalen, gewundenen Pfad, der sich durch die Schlucht schlängelte, in der sie das Vieh vermuteten. Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto mehr achteten sie darauf, möglichst keine Geräusche zu verursachen.
Dylan blieb plötzlich stehen und lauschte ins Dunkel. Sein Puls begann zu hämmern. Sie befanden sich kurz vor der angestiebten Weide, und er konnte weiter unten ganz deutlich leises Waffengeklirr hören. Wieder wünschte er, Sinann wäre bei ihm. Zu nichts eignete sich seine unsichtbare Freundin besser als zu Kundschafterdiensten. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als einen seiner Männer loszuschicken und zu hoffen, dass er nicht entdeckt wurde. Er führte seine Gruppe bis zu einer Ansammlung mächtiger Felsbrocken, wo er Halt machte und ihnen befahl, einen Kreis um ihn zu bilden und ihm gut zuzuhören. »Rasch, Artair, schleich dich an die Weide heran und berichte mir dann, was dort los ist. Wenn das passiert ist, was ich befürchte, dann müssen wir schnell handeln.« Artair huschte davon, die restlichen Männer duckten sich hinter die Steine, um seine Rückkehr abzuwarten. Dylan kletterte auf den höchsten Felsen und spähte vorsichtig nach unten. Die direkt unter ihm liegende Weide war mit Granitbrocken übersät, zwischen denen eine Vielzahl von Rindern umhertrottete.
Artair kam schon nach kurzer Zeit zurück. Vom schnellen Laufen und vor Aufregung war er völlig außer Atem. »Weiter vorne wird gekämpft. Donnchadh an Sealgair MacLeod ist dabei, ich konnte seine Stimme genau erkennen. Die MacLeods sind auf dieselbe Herde aus wie wir. Sie ist ziemlich groß; anscheinend haben die MacDonells ihren gesamten Viehbestand hier heruntergetrieben!«
Dylan runzelte die Stirn. Er wusste, dass die MacLeods einen unversöhnlichen Hass gegen die MacDonells hegten und nicht zögern würden, so viel Vieh wegzutreiben, dass dem Clan der Hungertod drohte. Nim versuchten sie anscheinend auch noch, möglichst viele MacDonells zu töten, bevor sie die spreidhe an sich brachten. »Es ist eine große Herde«, meinte er nachdenklich. »Der Kampflärm dürfte die Tiere erschreckt haben, sie sind sicher über die ganze Weide verstreut. Umso besser für uns.«
»Wir sollten uns den MacLeods anschließen und gegen die MacDonells kämpfen!« Artairs Vorschlag rief allgemeine Zustimmung hervor, denn die Mathesons hegten gleichfalls keine große Liebe für die MacDonells. Schon wurden einige Dolche gezückt.
»Auf keinen Fall!« Ein stechender Schmerz explodierte in Dylans Kopf. Am liebsten hätte er Brigid gezogen und Artair auf der Stelle die Kehle durchbohrt. Er kniff die Augen fest zusammen und wiederholte etwas ruhiger: »Nein. So eine Gelegenheit bietet sich uns so schnell nicht wieder. Wir können die spreidhe von der Weide treiben und verschwinden, bevor jemand überhaupt merkt, dass Tiere fehlen. Wenn wir den MacLeods helfen, müssen wir anschließend mit ihnen um die Beute kämpfen.« Er atmete tief durch. Allmählich ließ der Schmerz nach, und er konnte wieder klar sehen. »Und du, Artair, tust, was ich dir gesagt habe, sonst drehe ich dir den Hals um und schaffe dich auf dem Rücken einer Kuh ins Tal zurück.«
Bei der Vorstellung mussten die Männer leise kichern. Sogar Tormod grinste.
Artair schnaubte ärgerlich. »Feigling!«
Im selben Moment schoss Dylans Faust vor und traf Artairs Adamsapfel. Der junge Mann brach in die Knie, rang nach Luft und umklammerte mit
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