Die Rettung
anfangen. In den Highlands gab es im Frühjahr einfach keine Nahrung zu kaufen. Auch Tauschgeschäfte konnten erst wieder im Sommer getätigt werden. Die Schafe und Rinder waren nicht zu ersetzen; die englische Armee hätte sie genauso gut mit Steinen bezahlen können, mehr Wert hatte das Silber für die Highlander nicht.
»Haben sie den MacDonells und den MacLeods auch Vieh fortgenommen?«, fragte Dylan. »Oder den MacKenzies? Den Sutherlands?«
»Nein. Nur wir haben die zweifelhafte Ehre, die Verpflegung für die Garnison zu stellen.« Empörtes Gemurmel erhob sich, und Artair fuhr fort: »Bedford hat die Hälfte aller Schafe und alle Rinder verlangt. Das ist weit mehr, als sie brauchen. Sie wollen, dass wir verhungern.«
»Das ist die Strafe für den Mehldiebstahl und die Verseuchimg ihres Brunnens«, warf Colin bedrückt ein.
Auch Dùghlas meldete sich zu Wort. »Sie haben das Vieh gekauft, als es zu mager war, um einen guten Preis zu erzielen, und jetzt mästen sie es auf unseren Weiden.« Auch er war von den Maßnahmen der Engländer betroffen, obwohl ihm die MacDonells im Winter all seine Rinder gestohlen hatten, denn jetzt konnte er seinen Verlust erst ausgleichen, wenn sich der Viehbestand im ganzen Tal wieder erholt hatte.
Iain Mór lauschte, einen Ellbogen auf die Lehne seines Stuhls gestützt, schweigend den Meinungen seiner Männer. Dabei stopfte er seine Holzpfeife gemächlich mit Tabak.
»Von den paar Schafen, die uns geblieben sind, können wir nicht leben«, ereiferte sich Artair weiter. »Ohne Fleisch werden die Kinder und die Alten sterben, die Männer an Kraft verlieren und die Frauen Fehlgeburten erleiden.«
Drei Frauen in Ciorram sollten diesen Sommer niederkommen und hatten frisches Fleisch schon viel zu lange entbehren müssen.
Auch Dylan wusste nicht, was Bedford eigentlich im Schilde führte, aber er musste Artair Recht geben. Das Vieh bildete die Lebensgrundlage des gesamten Tales; von den im Frühjahr geborenen Kälbern hing es ab, wie viele Tiere im kommenden Winter verkauft oder geschlachtet werden konnten. Jetzt besaß der Clan keine Rinder mehr und lange nicht genug Geld, um neue Tiere zu erwerben, sobald wieder Viehmärkte stattfanden. Es konnte Jahre dauern, bis sie sich von dem Schlag erholten. In diesem Jahr würde es kaum Fleisch in Ciorram geben, und in den nächsten Jahren sah es vermutlich ähnlich aus.
Ferner würde es an Milch und Butter fehlen, und es würde kaum Wolle geben, um Kleider daraus anzufertigen; kein Leder für Schuhe, Gürtel und Handschuhe. Der Clan war an einem einzigen Tag vom Leben in relativem Wohlstand an den Rand des Existenzminimums gedrängt worden.
Für Dylan stand gleichfalls fest, dass diese Aktion tatsächlich eine Strafmaßnahme gewesen sein musste. Es gab keinen triftigen Grund, so früh im Jahr eine solche Menge Vieh auf einen Schlag zu konfiszieren. Bedford wollte den Mathesons ernsthaften Schaden zufügen.
»Artair hat Recht«, stimmte er zu, was überraschtes Schweigen zur Folge hatte. Niemand hätte erwartet, solche Worte ausgerechnet aus Dylans Mund zu hören. »Irgendwie müssen wir unseren Viehbestand wieder aufstocken«, fuhr er fort.
Artair, der gerade mit Dylans Unterstützung am allerwenigsten gerechnet hätte, nutzte die Gunst der Stunde sofort. »Und zwar am besten durch einen creach auf die Herden der Sas-sunaich«, schlug er vor.
Die Männer bekundeten murmelnd ihre Zustimmung. Nur Iain schwieg, sog an seiner Pfeife und blies Rauchwolken in die Luft.
»Nein, wir holen uns ein paar Rinder der MacDonells«, widersprach Dylan entschieden.
Artair lief hochrot an, beugte sich vor und beharrte hitzig: »Die Soldaten haben uns unser Vieh weggenommen. Es ist unser gutes Recht...«
»Wir wären verrückt, die Soldaten zu bestehlen. Das ist doch genau das, was Bedford will. Er würde uns nur zu gerne mit der gestohlenen Herde erwischen.«
»Es ist unsere Herde!«
Dylan schlug sich mit der Faust auf das Knie. »Jetzt nicht mehr. Wir haben sie an die Engländer verkauft; sie können die Verkaufsurkunde vorweisen. Sieh es, wie du willst, aber Tatsache ist, dass sich das Vieh jetzt offiziell im Besitz der Krone befindet und du nichts dagegen unternehmen kannst. Nein, wenn wir die nächste Zeit halbwegs glimpflich überstehen wollen, dann ...«
»Wir haben schon einmal die Sassunaich-Weiden überfallen!«
Dylan lehnte sich vor und sah Artair böse an. »Ja, und dein Vater ist dabei ums Leben gekommen, ganz zu schweigen davon,
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