Die Rettung
als der gegen Morrighan gerichtete Zauber auf sie zurückgefallen war. Morrighan musste mit ihrem Verschwinden zu tun haben. Eine Reihe sehr unangenehmer Möglichkeiten schoss Dylan durch den Kopf.
Den Rest des Heimweges legten die Mathesons in bester Stimmung zurück. Sie verbargen die spreidhe im Wald und machten sich dann lachend und scherzend auf den Weg zur Burg. Niemand, noch nicht einmal Artair, äußerte sich mehr abfällig über Dylan.
In der Burg wurde ihre sichere Heimkehr mit einem großen ceilidh gefeiert. Männer, Frauen und Kinder strahlten, als sie von den erbeuteten Rindern erfuhren. Der warme Empfang und die allgemeine Festtagsstimmung wischten Dylans Sorgen um Sinann vorübergehend beiseite. Lächelnd lauschte er den vielen Geschichten, die er zwar größtenteils schon kannte, aber immer wieder gerne hörte. Im Kreise seiner Clansleute vergaß er seine Probleme, und die Welt sah ein wenig heller aus. Er blickte zu der Ecke der Halle hinüber, wo die Frauen zusammensaßen und ertappte sich dabei, dass er automatisch in der Gruppe nach Cait suchte.
Dylan wandte den Blick ab und schalt sich einen Narren. Der Schmerz würde sicher nachlassen, wenn er aufhörte, unbewusst darauf zu hoffen, sie wiederzusehen. Sein Verstand sagte ihm, dass er sein Leben weiterleben musste, doch sein Herz konnte Caits Verlust noch nicht akzeptieren. Und manchmal, wenn er die traurigen Erinnerungen besonders gern verdrängt hätte, beschlich ihn die kalte, peinigende Angst, er könne Cait eines Tages ganz vergessen. Das durfte nicht geschehen. Wenn er sie vergaß, so vergaß er zugleich einen Teil von sich selbst.
Nach einer Weile sah er noch einmal zu den Frauen hinüber, um sich zu beweisen, dass er sich zwingen konnte, nicht auf den Anblick einer lachenden, gesunden, lebendigen Cait zu hoffen. Sein Blick fiel auf Sarah, die Ailis Hewitt etwas zuflüsterte. Dabei lächelte sie warm, und ihre Augen leuchteten vor Freude. Dylan wurde augenblicklich leichter ums Herz. Er konnte nicht anders, er musste unwillkürlich selbst lächeln.
Doch dann schrak er zusammen und konzentrierte sich wieder auf den Geschichtenerzähler. In dem Moment, in dem er Sarah zugelächelt hatte, war er bereit gewesen, Cait zu vergessen. Fröstelnd schlang er sein Plaid enger um sich. Nein. Er würde sie nicht vergessen. Niemals.
15. Kapitel
Barri verständigte die Polizei, und Kenneth wurde erneut verhaftet, am nächsten Tag allerdings wieder auf Kaution entlassen. Ihr Anwalt erwirkte eine Verfügung, die es ihm untersagte, sich ihr auf mehr als hundert Meter zu nähern, aber sie wusste, dass er sich die Mühe hätte sparen können. Wenn Kenneth getrunken und beschlossen hatte, ihr eine Lektion zu erteilen, dann würde er das tun, koste es, was es wolle. Jetzt fürchtete sie sich schon davor, das Haus zu verlassen. Sie ließ einen Handwerker kommen, der eine Sperrholzplatte über das Loch in der Hintertür nagelte und einen festen Riegel anbrachte. Bei der Gerichtsverhandlung wurde Kenneth zu einer Geldstrafe verurteilt, blieb jedoch auf freiem Fuß. Von da an schrak Barri jedes Mal zusammen, wenn es an der Tür klopfte, und ihr Herz begann wie wild zu hämmern. Jeder Gang zum Gemüsehändler oder zum Supermarkt wurde zur Qual.
Wenig später wurde ihre Ehe geschieden, was Kenneth übel aufnahm. Zwar ließ er sich nie wieder im Studio blicken, aber er rief ständig an, beschuldigte sie, einen Liebhaber zu haben oder beschimpfte sie auf unflätige Weise. Barri hörte sein betrunkenes Genuschel geduldig an. Zwar riet ihr eine innere Stimme, einfach aufzulegen, doch sie brachte es nicht über sich, so grob und unhöflich zu handeln. Lieber ertrug sie sein Benehmen, als dass sie sich mit ihm auf eine Stufe stellte.
Also hörte sie zu, bis sie einen Vorwand fand, das Gespräch zu beenden, und legte dann auf. Am meisten fürchtete sie sich davor, ihm eines Tages auf offener Straße zu begegnen, denn er hatte keinerlei Hemmungen, ihr vor anderen Leuten eine Szene zu machen. Mit der Zeit gewöhnte sie sich daran, einigen ihrer Bekannten aus dem Weg zu gehen, um ein Zusam-mentreffen mit Kenneth zu vermeiden. Und sie fand heraus, welche Freunde ihr erhalten bleiben und welche eher zu ihm halten würden.
In den nächsten Monaten grübelte sie über all das nach, was Cody ihr erzählt hatte. Sie verbrachte viele Stunden damit, die Zeichnung wieder und wieder zu studieren, und oft saß sie ebenfalls stundenlang tief in Gedanken versunken in Dylans
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