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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Sandwiches, Monsieur.«
    Er schob Julie zur Tür hinaus. Unten am Eingang stand vielleicht schon der Polizeiwagen, deshalb rannten sie die Treppen bis zum Speicher hinauf, fanden eine Dachluke, flüchteten über die Dächer und ließen sich an einer Regenrinne hinab, wobei David seine Krücke in den Mund nehmen mußte.
    Es war ein schöner Abend, und viele Menschen waren unterwegs. Julie befürchtete, daß jemand sie entdecken könnte, doch gleichzeitig wünschte sie sich, ein Bewunderer würde sie erkennen und ihr seine Hilfe anbieten. Aber niemand beachtete sie. Die Revolution war tot, und sie war keine Königin mehr.
    Die Polizei war ihnen dicht auf den Fersen, und Julie war todmüde. Als sie die blinkende Lichtreklame eines Kaufhauses sah, fiel ihr ein, daß die Enzyklopädie empfahl, auf Zeichen aller Art zu achten. »Hier finden Sie alles, was Sie brauchen«, stand auf einem Werbeplakat.
    »Nichts wie rein!« rief sie David zu.
    Im Gewühl der Kunden konnten sie untertauchen. Es gelang ihnen, die Abteilung für Teenagerbekleidung zu erreichen, und dort stellten sie sich zwischen die Wachspuppen. Mimikry, die passive Verteidigungsmethode mancher Insekten …
    Die Polizisten unterhielten sich mit Kaufhausdetektiven und gingen gleich darauf dicht an ihnen vorbei, ohne sie zu bemerken.
    Und wohin jetzt?
    In der Spielwarenabteilung fiel ihnen ein großes rosa Nylonzelt ins Auge. Sie krochen hinein und schliefen völlig erschöpft ein.

173. FINSTERE NACHT
    Die Gläubigen unternehmen eine Reise in der stinkenden und schleimigen Finsternis des Darms, umgeben von zuckenden Eingeweiden. Kein angenehmer Aufenthaltsort, aber immerhin besser als der sichere Tod, der ihnen draußen beschieden wäre.
    Jetzt, da sie im Innern des Wurms sitzen, begreifen sie, wie er sich fortbewegt: Er schluckt Erde, läßt sie den Verdauungstrakt passieren und scheidet sie sofort durch den Anus wieder aus. Eine Art Triebwerk – einsaugen, ausstoßen, einsaugen, ausstoßen …
    Die Ameisen drücken sich an die Wände, um von den ekligen Kugeln wenigstens nicht direkt getroffen zu werden, während der Regenwurm gemächlich das neue Bel-o-kan durchquert. Zwischen Ameisen und Regenwürmern besteht im allgemeinen ein gutes Einvernehmen. Die Ameisen erlauben den Würmern, sich in ihren Städten aufzuhalten, und ernähren sie, und dafür legen die Würmer breite Stollen an, die die Arbeiterinnen nur noch abzustützen brauchen.
    Trotzdem fühlen sich die Gottgläubigen in ihrer stinkenden Untergrundbahn begreiflicherweise nicht wohl. Wohin sind wir eigentlich unterwegs? fragt eine von ihnen die Prophetin.
    Nr. 23 antwortet ausweichend, in dieser Situation könne nur ein Wunder sie retten. Sie bete schon die ganze Zeit, daß die Götter ihnen zu Hilfe kommen mögen.
    Der Regenwurm hat die Kuppel erreicht, doch kaum daß er seinen Kopf durch das Stadttor geschoben hat, da schießt auch schon eine Meise herab und packt ihn, ohne zu wissen, daß er Insassen befördert.
    »Was ist jetzt los?« ruft eine Ameise, die an der Druckveränderung spürt, daß sie in die Höhe gehoben werden.
    »Ich glaube, diesmal haben die Götter uns erhört! Sie laden uns in ihre Welt ein«, verkündet die Prophetin salbungsvoll, während sie mit ihren Gefährtinnen in den Magen der Meise gleitet, die hoch in die Lüfte emporsteigt.
     

174. ENZYKLOPÄDIE
     
    Interpretation der Religion in Yucatan: In einem mexikanischen Indianerdorf namens Chicumac, in Yukatan gelegen, haben die Bewohner eine höchst seltsame Art der Religionsausübung.
    Im 16. Jahrhundert wurden sie von den Spaniern gezwungen, zum Katholizismus zu konvertieren, doch weil diese Region so abgelegen war, wurden nach dem Tod der ersten Missionare keine Priester mehr dorthin entsandt. Trotzdem feierten die Menschen von Chicumac weiterhin die katholische Messe, und weil sie nicht lesen und schreiben konnten, wurden Gebete und Rituale mündlich überliefert.
    Als es in unserem Jahrhundert nach der Revolution in Mexiko endlich wieder eine stabile Regierung gab, sandte man Beamte in die entlegensten Gegenden, um eine effektive Verwaltung zu ermöglichen. So kam im Jahre 1925 ein Beamter auch nach Chicumac und wohnte dort der Messe bei.
    Er staunte, daß die lateinischen Gesänge über die Jahrhunderte hinweg kaum entstellt worden waren. Allerdings gab es beim Gottesdienst eine kleine Besonderheit: Als Priester und Meßdiener fungierten drei Affen! Weil es in ihrem abgelegenen Dorf keine Priester gab, hatte sich

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