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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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erkennen ließen, durften sie groß werden und wurden erst im Erwachsenenalter ›normal‹
    geschlachtet. Im Jahre 1474 wurde in Basel einem Huhn der Prozeß gemacht, weil es ein Ei ohne Dotter gelegt hatte. Es wurde der Hexerei beschuldigt und endete auf dem Scheiterhaufen. Erst im Jahre 1710 fand ein Forscher heraus, daß Eier ohne Dotter die Folge einer Hühnerkrankheit sind, aber das Urteil gegen jenes Huhn wurde nicht revidiert.
    In Italien strengte ein Bauer im Jahre 1519 einen Prozeß gegen Maulwürfe an. Zum Glück hatten sie einen sehr wortgewandten Rechtsanwalt, der betonte, diese Maulwürfe seien noch sehr jung und könnten deshalb für ihre Taten nicht zur Verantwortung gezogen werden. Außerdem seien Maulwürfe sehr nützliche Tiere, weil sie sich von Insekten ernährten, die andernfalls die Ernten der Bauern vernichten würden. Die Maulwürfe wurden nur mit lebenslänglicher Verbannung von den Feldern des Klägers bestraft.
    In England wurde im Jahre 1662 James Potter wegen Sodomie geköpft, aber die Richter sahen die Tiere nicht als Opfer, sondern als Komplicen an und verurteilten eine Kuh, zwei Säue, zwei Färsen und drei Schafe ebenfalls zum Tod durch das Beil.
    Und noch im Jahre 1924 wurde in Pennsylvania ein Labradorhund zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt, weil er die Katze des Gouverneurs getötet hatte. Er wurde in einem Zwinger eingesperrt, wo er sechs Jahre später an Altersschwäche starb.
    EDMOND WELLS,
    Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III

218. UNTERRICHT IN DIALEKTIK
    Zweiter Verhandlungstag. Auf dem Boden vor der Anklagebank stand ein Terrarium mit gut hundert Ameisen, die sich jetzt ebenfalls vor Gericht verantworten mußten. Die Geschworenen schauten es sich an und rümpften die Nasen über den Gestank nach verfaulten Äpfeln, den sie irrtümlich für den natürlichen Geruch der Ameisen hielten.
    »Ich versichere, daß all diese Ameisen an dem Angriff gegen meine Männer beteiligt waren«, sagte Kommissar Maximilien Linart, der sehr zufrieden war, daß man seinem Antrag stattgegeben hatte.
    Julie erhob sich. Sie fühlte sich in ihrer Rolle als Verteidigerin inzwischen sehr wohl und ergriff das Wort, wann immer sie es für erforderlich hielt.
    »Diese Ameisen leiden unter Luftmangel. Die beschlagenen Scheiben deuten darauf hin, daß sie am Ersticken sind. Wenn Sie nicht wollen, daß sie vor Prozeßende sterben, müssen unbedingt mehr Löcher in den Plastikdeckel gebohrt werden.«
    »Aber es besteht Fluchtgefahr!« rief Maximilien aufgeregt.
    »Das Gericht hat die Pflicht, für das Wohlbefinden aller Angeklagten zu sorgen, und das gilt auch für Ameisen«, erklärte der Richter.
    Er beauftragte einen Gerichtsdiener, zusätzliche Löcher zu bohren, wozu sich der Mann einer Zange, einer Nadel und eines Feuerzeugs bediente. Er erhitzte die Nadel, bis sie glühte, und durchstieß damit das Plexiglas.
    »Man glaubt, daß Ameisen nicht leiden, weil sie nicht schreien, wenn sie Schmerzen haben«, führte Julie aus. »Aber das stimmt nicht. Sie besitzen genau wie wir ein Nervensystem, und deshalb leiden sie genau wie wir. Auch das ist ein Makel unseres Ethnozentrismus. Wir empfinden nur mit jenen Mitleid, die laut schreien, wenn man ihnen Schmerz zufügt. Die Fische, die Insekten und alle Wirbellosen – all jene Tiere, die keine Stimme haben – können nicht mit unserem Mitgefühl rechnen.«
    Der Staatsanwalt verstand, wie es Julie gelungen war, die Menge zu mobilisieren. Ihre Beredsamkeit und ihr Feuer wirkten sehr überzeugend. Er bat deshalb die Geschworenen, sich von solchen Äußerungen nicht beeinflussen zu lassen, die nichts weiter als Propaganda für die ›Revolution der Ameisen‹
    seien.
    Im Saal gab es einige Proteste, und der Vorsitzende mußte wieder sein Hämmerchen einsetzen, um für Ruhe zu sorgen. Er wollte den Zeugen Maximilien Linart befragen, aber Julie war noch nicht fertig. Sie erklärte, die Ameisen seien durchaus in der Lage, zu sprechen und sich zu verteidigen. Man müsse ihnen genauso wie den Menschen die Möglichkeit geben, zur Anklage Stellung zu nehmen.
    Der Staatsanwalt lachte höhnisch, und der Richter verlangte eine Erklärung.
    Julie berichtete von der Maschine ›Stein von Rosette‹ und erläuterte ihre Funktionsweise. Der Kommissar bestätigte, in der Pyramide ein Gerät beschlagnahmt zu haben, auf das die Beschreibung zutraf, und der Richter befahl, es zu holen. Die Verhandlung wurde unterbrochen, während Arthur in der

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