Die Richter des Königs (German Edition)
hat nur ihn gesehen, als er erwachte. Und wir haben nur Breandáns Wort, dass Jack Einauge dort war. Vielleicht hat Einauge ihm nur den Mantel besorgt.«
»Aber dann hätte sich Breandán doch auch angesteckt«, warf Amoret ein.
»Nicht unbedingt. Er hatte dieses Fieber schon einmal überstanden und vertraute vermutlich darauf, dass er nicht ein zweites Mal erkranken würde. Außerdem hat er nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Trelawney hasste. Dieser Hass konnte sich durchaus darauf gründen, dass Sir Orlando einer der Richter war, die Jeffrey Edwards zu Unrecht verurteilt hatten. Dazu kommt noch, dass der zweite Anschlag auf Trelawneys Leben während der Prozession erst stattfand, als Breandán wieder auf freiem Fuß war. Der Richter selbst hat mich damals darauf hingewiesen. Und Breandán war auch in der Schenke, als Sir Orlandos Wein vergiftet wurde.«
»Ich kann das nicht glauben«, widersprach Amoret überzeugt. »Breandán hätte sich doch nie an Meister Ridgeway vergriffen, dem er so viel verdankte.«
»Es spricht aber auch nichts dagegen, dass er derjenige war, der Alan aus dem Haus lockte und vor die Kutsche stieß«, belehrte sie Jeremy. »Er war dort. Ich habe ihn kurz nach dem Anschlag aus der Menge auftauchen sehen, als sei er gerade erst von einer Besorgung zurückgekehrt. Und er kennt meine Handschrift.«
»Nein!«, rief Amoret energisch. »Das kann nicht wahr sein. Breandán ist kein Mörder.«
Doch mit einem Mal wurde sogar sie unsicher. Sie erinnerte sich an etwas, das Breandán nach dem Anschlag über Meister Ridgeway gesagt hatte: dass der Chirurg nicht so unschuldig sei, wie sie glaube. Hatte er damit auf dessen Beteiligung an Jeffrey Edwards’ Prozess angespielt? Es stimmte schon, Breandán hatte Meister Ridgeway keine Freundschaft entgegengebracht, obwohl dieser ihn großzügig in sein Haus aufgenommen hatte. Aber hatte er tatsächlich versucht, den Wundarzt aus Rache zu ermorden?
Jeremys Gesichtsausdruck hatte sich mehr und mehr verdüstert. »Jetzt ergibt auch Breandáns seltsames Verhalten nach Sir John Deanes Ermordung einen Sinn. Er hat keinen Versuch gemacht, sich zu verteidigen oder den Mord zu leugnen. Er hat sich benommen wie ein schuldiger Mann, der geschnappt worden ist. Ja, das würde auch erklären, warum er so verstockt geschwiegen hat und weshalb er den Tod unter der Folter vorzog. Er hatte nichts mehr zu verlieren … Und ich habe ihn vor der gerechten Strafe gerettet und damit meine Freunde in tödliche Gefahr gebracht!«
Amoret starrte ihn schaudernd an. Seine gedrückte Stimmung war auf sie übergegangen und hatte sie verunsichert, doch allmählich gewann ihre ruhige Überlegung wieder die Oberhand.
»Pater, es mag einiges gegen Breandán sprechen, das gebe ich zu, aber dafür muss es eine einleuchtende Erklärung geben! Ich kenne ihn besser als jeder andere. Und ich sage Euch, er ist kein gemeiner Mörder.«
»Ich wünschte, ich könnte so sicher sein wie Ihr.«
»Mistress Brewster muss sich geirrt haben. Sicher hat sie etwas verwechselt. Sie ist eine dumme alte Frau.«
»Mag sein. Aber woher sollte sie den Namen des walisischen Ortes kennen?«
»Ich weiß es nicht. Doch ich bin sicher, es wird sich alles aufklären.« Amoret suchte seinen unruhig umherschweifenden Blick und bemühte sich, ihn festzuhalten. »Pater, Ihr seid erschöpft. Bestimmt habt Ihr die ganze Nacht wieder kein Auge zugetan. In diesem Zustand könnt Ihr ohnehin nicht mehr klar denken. Ihr müsst Euch ausruhen.«
Sie nahm auffordernd seinen Arm. »Bleibt eine Weile hier und versucht zu schlafen. Niemand wird Euch stören.«
»Nein«, widersprach Jeremy schwach. »Ich muss zurück.«
»Ihr müsst ein wenig schlafen. Ich bitte Euch, um unserer Freundschaft willen, tut einmal, was ich Euch sage. Ihr könnt Euch doch kaum mehr aufrecht halten.«
Zu ihrer Verwunderung gab er nach. Sie bot ihm ihr Bett an, doch er bestand darauf, das Rollbett zu benutzen, auf dem des Nachts die Kammerfrau schlief. Kurz darauf hörte Amoret an seinen tiefen Atemzügen, dass er eingeschlafen war. Leise holte sie eine Decke und breitete sie über ihn. Eine Weile betrachtete sie schweigend sein ausgezehrtes Gesicht mit der fahlen Haut und den dunklen Schatten unter den Augen. Er war dabei, sich zugrunde zu richten, weil er sich angesichts der furchtbaren Seuche machtlos fühlte und den sterbenden Menschen nicht helfen konnte. Und auf einmal verspürte sie Angst, eine tiefe, vernichtende Angst, ihn zu
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