Die Richter des Königs (German Edition)
nächste Angeklagte an der Reihe. Erst als alle Prozesse der ersten Gruppe abgeschlossen waren, zogen sich die Geschworenen zur Beratung zurück, und eine neue Jury wurde für die nächste Gruppe vereidigt. Nachdem deren Verhandlungen stattgefunden hatten, kehrte die erste Jury zurück, um ihre Urteile bekannt zu geben. Der Pferdedieb war für schuldig befunden worden.
»Pferdediebstahl ist vom Vorrecht des Klerus ausgenommen«, merkte George Jeffreys an. »Ihn erwartet die Todesstrafe, es sei denn, der Richter setzt seinen Namen auf die Liste derer, die einen Gnadenerlass vom König erhalten sollen.«
Vor der Mittagspause waren auf diese Weise neun Fälle verhandelt worden.
»Die Richter werden jetzt mit dem Lord Mayor und den Sheriffs essen«, erklärte der Student. »Um drei Uhr geht es dann weiter. Die Straße runter ist eine Schenke. Wollen wir dort einen Imbiss einnehmen?«
»Ladet Ihr mich etwa ein?«, fragte Jeremy verwundert. »Was versprecht Ihr Euch davon? Ihr habt meine Unterstützung, was Euer Fortkommen angeht, doch gar nicht nötig.«
»Ihr seid sehr misstrauisch, wie ich sehe. Aber ich nehme es Euch nicht übel. Ihr seid mir sympathisch. Mag sein, dass ich, was mein Vorankommen als Advokat betrifft, nicht auf Eure Hilfe angewiesen bin. Aber Ihr seid ein guter Arzt. Vielleicht brauche ich eines Tages einmal Euren Beistand.«
Vierzehntes Kapitel
D as üppige Mahl machte Sir Orlando Trelawney schläfrig. Träge ließ er den Blick durch den prächtig ausgestatteten Saal gleiten, der im ersten Stock des Gerichtsgebäudes lag, und bemerkte, dass es seinen Brüdern und den Ratsherren ebenso erging. Sein Weinglas spielerisch zwischen den Fingern drehend, schnappte er einzelne Gesprächsfetzen auf, ohne auf den Inhalt zu achten. Doch plötzlich erregte etwas seine Aufmerksamkeit.
»Ratsherr Deane hat mich bezüglich dieses McMahon angesprochen«, hörte er den Recorder sagen. »Er meint, der Kerl sei ein Strauchdieb von der schlimmsten Sorte, ein ehemaliger Söldner, der sich nun als Räuber betätigt. Sir John will sichergehen, dass er unschädlich gemacht wird.«
»Verstehe«, antwortete der Lord Mayor. »Wann ist seine Verhandlung?«
»Heute Nachmittag, Mylord.«
Sir Orlando geriet ins Grübeln. McMahon, war das nicht der Ire, der damals mit angesehen hatte, wie Jack Einauge seinen Mantel vertauschte? Trelawney erinnerte sich noch genau an das Gesicht des Burschen, das er beim Erwachen über sich gesehen, und an den festen Griff, mit dem McMahon ihn gepackt hatte. In seinem Rauschzustand hatte ihn die Berührung dieser kräftigen Hand in Panik versetzt, denn er befürchtete instinktiv einen Raubüberfall. Und wie es nun schien, hatte er mit einer derartigen Vermutung gar nicht so Unrecht gehabt. Die kurze Begegnung hatte einen so starken Eindruck in ihm hinterlassen, dass der Ire sogar während Trelawneys Krankheit Eingang in seine Fieberträume gefunden hatte. Es würde ihm sicherlich gut tun, seinen Quälgeist noch einmal von Angesicht zu sehen, um die starken Erinnerungen loszuwerden.
Der Lord Chief Justice Sir Robert Hyde streckte sich auf seinem Lehnstuhl und gähnte herzhaft. »Gentlemen, ich glaube, ich werde mich für heute von Euch verabschieden. Wir sehen uns morgen früh wieder.«
Sein Bruder vom Finanzgericht und zwei der Ratsherren schlossen sich ihm an. Daraufhin wandte sich der Lord Mayor an Trelawney: »Sir Orlando, wenn auch Ihr Euch zurückziehen wollt, übernehme ich gerne für den Rest des Tages den Vorsitz. Es stehen keine schwierigen Fälle mehr an. Der Recorder und der Common Serjeant können mich in Rechtsfragen beraten.« Als Trelawney zögerte, fügte er hinzu: »Ich weiß, wie pflichtbewusst Ihr seid, aber immerhin habt Ihr gerade erst eine schwere Krankheit überstanden. Niemand wird Euch einen Vorwurf machen, wenn Ihr Euch ausruhen möchtet.«
Sir Orlando hatte auf einmal das starke Gefühl, dass man ihn loswerden wollte, und entschied sich spontan, zu bleiben. »Ich danke Euch für Eure Fürsorge, Mylord, aber gerade weil ich so lange aussetzen musste, habe ich nun das Verlangen nach Arbeit. Und jetzt entschuldigt mich, ich werde noch ein wenig in den Garten gehen.«
Es war fast drei Uhr, und die Zuschauer kehrten allmählich in den Hof zurück. Auf dem Weg nach unten entdeckte Sir Orlando bei einem Blick durchs Fenster den Jesuiten in der Menge. Einem Impuls folgend, winkte er einen der Gerichtsdiener zu sich. »Seht Ihr dort den großen hageren Mann in
Weitere Kostenlose Bücher