Die Ringe der Macht
Ihr über die Schattenkriege? Die Aufzeichnungen des Ffolks gehen nicht so weit zurück, und selbst die der Großen Menschen sind unvollständig und bruchstückhaft. Was erzählen sich die Elben von ihren dunklen Brüdern?«
Der Elbe starrte in die Flammen, deren roter Schein sich in seinen wasserhellen Augen spiegelte, dass diese selbst von flammender Glut erfüllt zu sein schienen.
»Sie sind nicht unsere Brüder!«, sagte er dann mit ungewohnter Heftigkeit. »Sie sind alles, was wir hassen und fürchten: unsre Schatten, die dunklen Seiten unsres Ichs. Wir haben sie bekämpft, gemeinsam mit Menschen und Zwergen. Alfandel Silberhelm war unser Anführer, mein Vorvater, und Bregorin mit der Axt führte das Volk der Zwerge –«
»Hamabregorin«, warf Burin ein, »einer der Erzmeister der Zwerge, mein Ahnherr«, und nicht nur Kim warf ihm einen erstaunten Blick zu.
»Aber die Herrschaft über das Bündnis der Völker hatte ein Mensch, König Talmond von Thurion, den sie den Mächtigen nannten.« Es war Fabian, der gesprochen hatte, und er fuhr fort:
»Erinnert Euch, Völker, an Talmond den Herrn,
Eh’ die Schatten ihn schlugen in Banden,
Die Fürsten der Welt, sie folgten ihm gern
Zum Krieg in den westlichen Landen.
Mit wehendem Banner ritt er voran
In das Herz der Gefahr und der Not,
Die silbernen Ritter führte er an
Zum Sieg und zum glorreichen Tod …
Es ist eine ziemlich wüste Ballade«, fügte er hinzu, »von Heldentum und Opfermut, ungeheuer patriotisch. Dabei war er selbst nur ein kleiner Stammesfürst. Doch er muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein, und ein Krieger, wie es ihn selten gab. Als die Dunkelelben schon weite Teile der westlichen Lande unterjocht hatten, zog er ein Aufgebot von wenigen Getreuen in einem tollkühnen Unternehmen nach Norden, gegen Agrachuridion, die Hohen Mauern der Finsternis, die Feste des Feindes. Die Zwerge zeigten ihm den Weg über alte Straßen, die sie selber angelegt hatten, und die Elben führten ihn in der Nacht. Eine militärisch völlig unsinnige Aktion, mit einer schlecht ausgerüsteten Truppe – keine silbernen Ritter, sondern wohl eher eine Bande von Geächteten, mit Waffen aus Bronze und rostigem Eisen. Nur Talmond selber besaß ein Schwert aus Zwergenstahl, Izrathôr, der Schattentöter genannt, eine verwunschene Klinge. Ich weiß es, denn ich habe es geerbt.«
Er zog die Klinge aus der Scheide, die im matten Schein des Feuers schimmerte und plötzlich aufgleißte wie flammendes Gold.
»Thai na védui! «, rief Gilfalas. »Ich erinnere mich: Der Krieger und der Schattenfürst. Ich sehe sie im Zweikampf: Das Schwert, das nie geschmiedet wurde, sticht hernieder und dringt dem Dunklen ins Herz. Die schwarze Klinge fährt hernieder und spaltet seine Seite …«
»Ihr erinnert Euch?«, staunte Kim. »Dann wart Ihr dabei?« Wie alt, fragte er sich, mochte dieser so jugendlich wirkende Elbenprinz sein? Wie viele hundert Jahre war das her?
»Nein, nein«, wehrte Gilfalas ab. »Es ist die Erinnerung meines Volkes. Sie ist in allen Eloai gegenwärtig. Unsre Erinnerung reicht zurück bis zu den Anfängen, den Wassern des Erwachens …« Er verstummte.
»So wird es überliefert«, ergriff Fabian nach einer Pause wieder das Wort. »Talmond stellte den Schwarzen Fürsten, Azrathoth den Schrecklichen, auf der Schwelle seiner Feste zum Zweikampf und erschlug ihn, während er selbst seine Todeswunde davontrug.«
»Und damit war der Krieg zu Ende?«, fragte Kim.
»Es war vielleicht die entscheidende Wende, aber selbst darüber streiten sich die Historiker. In der Wirklichkeit ist es selten so wie in den alten Legenden. Es war Helmond, sein Sohn, damals noch ein Knabe, der die Völker des Imperiums einte und die Dunkelelben zurückdrängte. Er war kein Krieger, doch von großer Weisheit, und die Macht Allvaters und der Großen Mutter war mit ihm. Durch sie öffnete er den Schoß der Untererde, und sie tat sich auf und verschlang die Feste der Dunkelelben bis auf den letzten Turm, und ein Wind aus dem Abgrund trug das Volk der Finsternis hinaus über das Meer. So zumindest wird es berichtet. Darauf wurde er zum ersten Kaiser des Imperiums erhoben. Seinen Vater nannte man bereits zu Lebzeiten den Mächtigen. Ihn nannte man nach seinem Tod den Großen.«
»Und keiner weiß, wo sich das alles abgespielt hat?«, fragte Kim. »Wo diese sagenhafte Feste der Dunkelelben lag?«
»Die Erde erinnert sich«, sagte da Marina, die bislang geschwiegen hatte. »Spürt
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