Die Ringe der Macht
eindeutig Zwergenwerk waren, aber selbst Gilfalas’ scharfes Auge konnte darauf keine sinnvolle Glyphe mehr erkennen. Der Zahn der Zeit hatte die Inschriften hier oben samt und sonders getilgt.
Bei Sonnenuntergang schlugen die Gefährten ihr Lager am Rande des Weges in einer Höhle auf, die so tief in den Fels hineinführte, dass sie alle darin Platz fanden. Als das Feuer aufflammte, wurde Burins Blick plötzlich starr.
»Was ist?«, fragte Fabian. »Warum guckst du die Wand an?«
Da Burin nicht antwortete, ergriff Kim ein brennendes Scheit aus dem Feuer und trat an die Felswand heran.
»Da ist eine Tür«, stellte er fest. »Seht her.«
Alle standen auf und konnten nun sehen, was Burin entdeckt hatte. Ein haarfeiner Riss zog sich kreisförmig über diese Wand. Der Durchmesser des Kreises mochte fünf Ffuß betragen.
»Du hast recht«, sagte Fabian. »Ob wir sie öffnen können?«
Statt einer Antwort nahm Burin seine Axt vom Boden auf und schlug mit dem unteren Ende des Schaftes gegen die Wand. Dann lauschte er.
»Nein«, entschied er. »Der Raum dahinter ist verschüttet. Hört selbst!«
Er schlug noch einmal gegen die Wand, und der Klang war dumpf.
»Was mag dahinter gewesen sein?«, fragte Marina.
»Eine Kapelle«, entfuhr es Kim. »Die Zwerge haben sonst rechteckige Türen. Ein Rund aber ist das Zeichen für die Vollkommenheit des Meisters.«
»Du hast in den Vorlesungen ja doch aufgepasst«, knurrte Burin.
»Gibt es dahinter nur die Kapelle, oder schließen sich noch Stollen an?«, fragte Gilfalas.
»Wenn du diesmal mich antworten lassen würdest, mein Freund«, sagte Burin mit Blick auf Kim. »Schließlich geht es um mein Volk.«
»Gerne, wenn du darüber reden willst. Solltest du dich irren, kann ich dich ja korrigieren.«
»Danke sehr, werter Ffolksmann«, sagte Burin, ohne mit der Wimper zu zucken. »Nein«, fuhr er dann fort, dem Elben zugewandt, »die Kapellen haben immer nur einen Zugang. Das liegt in unserer Geschichte begründet. Wir waren nicht immer ein so friedfertiges Volk wie heutzutage. Es hat Zeiten gegeben, da sich unsere Häuser aus ziemlich nichtigen Gründen die Schädel eingeschlagen haben –«
»Mit ›Häuser‹ meint er ›Sippen‹«, erklärte Kim überflüssigerweise, aber Burin redete weiter, ohne auf ihn zu achten:
»Und daher haben unsere Kapellen nur einen Eingang, damit man auch nur eine Richtung bewachen musste. Das ging so weit, dass ein Gottesdienst zweimal abgehalten wurde. Während die eine Hälfte der Gemeinde die Schöpfung des Meisters pries, hielt die andere Hälfte draußen Wache.«
»Das muss eine ziemlich wilde Zeit gewesen sein«, meinte Marina.
»Ja, das war es. Das war es wirklich«, sagte Burin, und es klang, als ob er dabei gewesen wäre. »Nun lasst uns aber schlafen. Die Luft ist hier dünner als im Tal, und es wird morgen fürchterlich anstrengend.«
Somit krochen alle unter ihre Decken. Kim schlief wieder schlecht. Der Traum, der ihn plagte, war wirr und scheinbar ohne Sinn, doch eine innere Stimme riet ihm, auf alles zu achten, da es noch einmal von Bedeutung sein könne. Schließlich schreckte Kim auf, aber beinahe im selben Moment wusste er nicht mehr, wovon er geträumt hatte.
Das Summen Marinas am Feuer und das Aroma des Tees weckte sie schließlich alle. Für Kim war es inzwischen beinahe ein Ritual geworden. Er blickte verschlafen auf die junge Ffolksfrau. Sie erwies sich mehr und mehr als eine unentbehrliche Gefährtin, und es war klar, dass er sie nicht länger wie seine Haushälterin behandeln durfte. Er überlegte sich, was er diesbezüglich unternehmen sollte. Auch Gwrgi durfte er nicht ausschließen. Sie waren eine Gemeinschaft.
Selbst Gilfalas schien ihnen während ihrer Reise ein wenig näherzukommen und etwas von der Abgehobenheit zu verlieren, die ihn wie alle seines Volkes kennzeichnete. Kim hatte Elben in seinem Leben immer aus der Ferne erblickt. In Elderland hatte er sie noch nie gesehen, nur vereinzelt während seiner Zeit im Imperium. Stets hatten sie irgendwie weltfern auf ihn gewirkt, als wären sie nie ganz in den Mittelreichen gegenwärtig.
Doch die Schwänke aus der seligen Studienzeit, die beim Tee die Runde machten, während die Gefährten auf den Sonnenaufgang warteten, ließen selbst den Elbenprinzen auftauen. Burin und Fabian wussten mitreißend zu erzählen, und auch Kim steuerte die eine oder andere Episode bei. Alle, auch Marina und Gwrgi, lachten herzlich über die Untaten der drei.
»Was sein Uni
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