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Die Ringe der Macht

Die Ringe der Macht

Titel: Die Ringe der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst von Allwörden , Helmut W. Pesch
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brach abrupt ab, als sei das Gestein von der Hand eines Riesen hinweggefegt worden. Kim folgte der Felswand mit den Blicken, bis ihn schwindelte.
    »Und was jetzt?«, fragte er.
    Fabian nestelte an seiner Brigantine, um die Karte herauszuklauben. Dann sah er nach Süden, die Berge hinauf.
    »Hier irgendwo muss der Aufgang zum Steig sein«, stellte er fest.
    »Das da drüben sieht aus, als wäre es eine Straße«, sagte Gilfalas. »Schaut, da ist ein alter Wegstein.« Die anderen folgten seinem Blick, konnten aber nichts erkennen.
    »Wo?«, fragte Fabian.
    »Dort«, sagte Gilfalas und ging auf einen Stein zu, der scheinbar zufällig am Wegesrand lag. »Seht ihn Euch an. Es ist nur noch schwach zu erkennen, aber da ist eine Inschrift.«
    »Unser blasser Gefährte sieht besser als ein Adler«, brummte Burin und trat gemeinsam mit Fabian näher an den Stein heran.
    Bei näherer Betrachtung stellte auch Kim fest, dass der Stein, obgleich verwittert, nicht natürlich geformt, sondern mit Hammer und Meißel zu einem Quader gehauen worden war, mit einer stumpf zulaufenden konischen Spitze. Auf der Vorderfläche waren seltsame Linien zu erkennen.
    »Glyphen«, sagte Gilfalas. »Eindeutig Zwergenschrift.«
    Burin beugte sich vor, um die Ritzzeichen zu studieren.
    »Zwölf Meilen heißt es, mein schwachsichtiger Freund«, stellte Fabian fest und grinste.
    »Das ist mir klar. Ich habe versucht herauszufinden, was darüber stand; aber das ist nicht mehr festzustellen.«
    Kim kniete nieder und rieb mit der Hand über die von Flechten bedeckte Tafel. In diesem Augenblick fiel ein Sonnenstrahl schräg auf die geneigte Fläche, dass in dem Streiflicht scharfe Konturen hervortraten.
    »Dorak Angrimur«, buchstabierte er. »Das Tor … der Welten?«
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Gilfalas.
    »Solche Steine standen nur an Handelsstraßen«, sagte Burin, ein wenig zu schnell.
    Während Fabian und die anderen den Wegstein untersuchten, trat Kim beiseite. Weit ging der Blick von hier über das Elderland; Kim konnte sich nicht davon losreißen, bis er eine Berührung an der Schulter spürte.
    »Es nützt nichts, Herr Kimberon, da hinunterzustarren. Ihr werdet bloß schwermütig wie unser Gwrgi«, sagte Marina und deutete auf den abseits stehenden Sumpfling, der seinen Blick ebenfalls ins Tal gerichtet hielt und in seinen eigenen Erinnerungen gefangen zu sein schien.
    »Ich kann nicht anders«, erwiederte Kim. »Ich muss immer daran denken, was gerade geschehen mag, in Aldswick und im Zwickel …«
    »Lasst es sein, und seht lieber da hinauf, Herr Kimberon«, sagte Marina, und bei diesen Worten fühlte Kim den sanften Druck ihrer Rechten an der Schulter. »Schaut es euch an. Seit wir aus dem Waldgürtel heraus sind, kann ich meinen Blick davon nicht mehr losreißen. Seht und staunt …«
    »Aber …«, wollte Kim noch einwenden, dann stockte ihm der Atem. Er hatte das Sichelgebirge oft genug aus der Entfernung gesehen, aber so nah war er den Bergen noch nie gewesen.
    Die kalte, klare Luft tat noch ihren Teil dazu. Die Konturen waren so scharf, als hätte man sie mit dem Messer ausgeschnitten. Die wilden, zerklüfteten Felswände schienen sich titanengleich in den tiefblauen Herbsthimmel zu recken. Scharfe Grate, zerklüftete Abhänge, alles strebte nach oben, zur Höhe, wo die Gipfel, gekrönt vom ewigen Schnee, in ewiger Majestät thronten, fern von allen irdischen Kümmernissen und Nöten.
    »Schön, nicht wahr?«, sagte Marina leise und wandte sich von ihm ab und Gwrgi zu.
    Doch Kim antwortete nicht. Wie gebannt starrte er auf die himmelstürmenden Gipfel. Er fragte sich, warum er diese wilde Schönheit nicht bemerkt hatte. Er fühlte sich ganz klein und unscheinbar, wie auch seine Sorgen angesichts dieser gewaltigen Pracht klein und unbedeutend wurden. Seit Anbeginn der Zeiten schauten diese Berge auf die Welt herab, hatten allen Kummer, alles Leid, aber auch alle Freude und alles Glück unter der Sonne gesehen. Die Zeit hatte an ihnen genagt, doch der Lauf der Welt hatte sie nicht stürzen können. Sie waren ein Monument der Ewigkeit, an dem alles abzuprallen schien, was den winzigen Kreaturen zu ihren Füßen wichtig erschien.
    Büsche und Bäume umgaben die Berge wie ein Mantel, doch Kim bemerkte, dass der grüne Gürtel auf dieser Höhe überall abrupt endete, als wäre den Bäumen und Büschen die Puste ausgegangen. Ab der Baumgrenze entfaltete der Fels seine urtümliche Schönheit. Ja, die Berge schienen sich stolz über die

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