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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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andere Krieger eingetroffen, und nach der Anzahl der Feuer und der Zelte zu urteilen, handelte es sich um ein ziemlich großes Feldlager. Wie weit wir an dem Tag marschiert waren, vermochte ich zwar nicht genau zu sagen, doch konnten wir eigentlich nicht mehr allzu weit vom Grenzwall entfernt sein. Eine Zeitlang gab ich mich noch zaghaft der Hoffnung hin, dass Robert und seine Leute mich vielleicht befreien würden, eine Hoffnung, die aber erstarb. Ich hatte sogar vollstes Verständnis dafür, dass er sich nicht blicken ließ. Schließlich waren wir nicht einmal fünfzig Mann gewesen, als wir in Scrobbesburh aufgebrochen waren, während in dem Lager gewiss mehrere hundert Männer versammelt waren. Zudem lagen mittlerweile mehr als die Hälfte dieser fünfzig Männer tot und ausgeraubt in jenem Wald, wo sich vermutlich bereits diverse aasfressende Wildtiere an ihnen gütlich taten. Unter diesen Umständen durfte Robert nicht einmal den Versuch unternehmen, mich zu befreien, wenn er noch bei Verstand war. Natürlich hatte er auch mir gegenüber eine gewisse Schutzverpflichtung, trotzdem hatte Beatrice’ Sicherheit einen höheren Stellenwert.
    Rechts und links jeweils von einer Wache flankiert wurde ich durch das Lager geführt. Die Waliser und die Engländer, die mich – einen elenden Gefangenen – in diesem Zustand sahen, brachen in höhnischen Jubel aus. Einige spuckten mich an, andere bewarfen mich mit Erdklumpen, obwohl alle verjagt wurden, die mir zu nahe kamen. Während es Bleddyn den Männern aus seinem Hausgefolge einige Stunden zuvor noch gestattet hatte, mich mit Steinen zu bewerfen, wollte er jetzt offenbar unbedingt vermeiden, dass mir vor der Übergabe an Eadric den Wilden noch etwas zustieß.
    Die Männer führten mich zur Halle und blieben dort am Eingang neben einer Tür stehen, die früher einmal in einen Weinkeller geführt haben musste. Einer der Wächter nötigte mich, mich auf den feuchten Boden zu knien, während der andere an einem Schlüsselbund an seinem Gürtel einen schweren Schlüssel auswählte, mit dem er die Falltür öffnete. Dann griffen sie mir unter die Arme und stießen mich in das Loch hinunter. Da mir die Hände immer noch auf den Rücken gefesselt waren, hatte ich keine Möglichkeit, meinen Sturz abzumildern. So torkelte ich unter dem höhnischen Gelächter der beiden Wachen die Stufen hinunter und stürzte am Fuß der Treppe in eine Pfütze mit eiskaltem Wasser. Ich stieß einen wütenden Fluch aus und versuchte mich wieder hochzurappeln, aber nach dem stundenlangen Marsch ohne Nahrung oder Wasser wollten mir meine Beine nicht mehr gehorchen. Dann fiel die Klappe über mir wieder zu, und es war stockdunkel. Anfangs konnte ich noch eine Weile das Murmeln der Wachen draußen vor der Tür hören, dann wurden die Stimmen immer leiser, bis schließlich alles still war. Ich war alleine.
    So dachte ich jedenfalls. Doch dann hörte ich hinter mir ein leises Stöhnen.
    »Ist da jemand?«, rief ich. Es war in dem Kellerloch so finster, dass ich weder die Wände noch die Decke sehen konnte, ja nicht einmal den Boden unter meinen Füßen. Ich konnte also nicht sagen, ob der Raum fünf oder fünfhundert Schritt lang war. Irgendwo hörte ich ein regelmäßiges Tropfen, doch sonst war da nur mein eigener Herzschlag. Als ich jedoch länger in die Stille hineinlauschte, meinte ich Atemzüge zu hören. Leise, rasselnde Atemzüge. Es klang nach einem Mann, dem es offensichtlich gar nicht gutging.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich in die Dunkelkeit hinein.
    Wieder stöhnte der Mann, dann ließ er ein abgehacktes Husten hören. »Wer ist da?«
    Offenbar waren Bleddyns Leute mit dem Fremden noch viel gnadenloser verfahren als mit mir. Umso weniger sah ich einen Grund, ihm meinen Namen zu verschweigen.
    »Was – Tancred? Seid Ihr es wirklich, Mylord?«
    In dem Augenblick erkannte ich die Stimme. »Byrhtwald?«
    »Ja, Mylord«, sagte er leise. »Ich bin es.«
    »Wie kommst du hierher?«
    Statt mir zu antworten, fing der Engländer an, leise zu wimmern und zu schluchzen. Ich erhob mich auf die Knie und robbte auf dem nackten Boden vorsichtig in seine Richtung. Wenn mir die verdammten Wächter bloß die Hände losgebunden oder sie mir wenigstens vor dem Körper gefesselt hätten, dachte ich, dann könnte ich mich jetzt wenigstens vorwärtstasten. In der Luft hing ein widerlicher Gestank, als ob in dem Kellerloch ein Tier verendet wäre – oder auch mehrere.
    »Dann haben sie Euch also wirklich

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