Die Ritter des Nordens
war.
»Alles in Ordnung?«
»Ja, alles bestens«, sagte ich tapfer grinsend, obwohl die Schulter gerade wieder höllisch weh tat.
»Ich muss jetzt unbedingt zurück«, sagte sie, »sonst fällt noch auf, dass ich nicht da bin. Wenn das bekannt wird …«
Obwohl sie den Satz nicht beendete, wusste ich natürlich, worauf sie hinauswollte. Denn natürlich würden die Leute sich das Maul zerreißen, wenn herauskam, dass Beatrice um diese Tageszeit nur in Begleitung ihrer Dienerin in der Stadt unterwegs gewesen war.
»Ich komme mit«, sagte ich. »Um diese Tageszeit ist es zu gefährlich allein auf der Straße.«
»Nein, kommt lieber nicht mit. Wir dürfen nicht riskieren, dass uns jemand zusammen sieht.«
Eigentlich ein bisschen spät, um sich wegen dieses Risikos Gedanken zu machen, dachte ich. Wenn Beatrice eine Stunde früher ein wenig überlegt hätte, hätte sie das Mädchen gar nicht erst zu mir geschickt; dann würde ich noch in meinem Zelt liegen und schlafen, und die beiden Männer, die jetzt oben vor der Kirche in ihrem eigenen Blut lagen, könnten noch am Leben sein.
Doch ich war zu müde, um zu streiten. Ich brauchte dringend Wasser oder besser starken Wein, um die Wunde zu reinigen, und zwar möglichst bald. Eine relativ harmlose Schnittwunde, wie ich sie davongetragen hatte, musste zwar nicht genäht, aber wenigstens sauber gehalten werden.
Beatrice drückte mir zärtlich die Hand. In dem Augenblick fiel mir ein, dass ich ihr ja eigentlich hatte sagen wollen, dass es für uns keine gemeinsame Zukunft geben konnte. Doch bevor ich auch nur den Mund aufmachen konnte, ließ sie meine Hand schon wieder los und sah Papia an, die am Boden hockte, sich mit dem Rücken an einen Stapel Fässer lehnte und vor Angst und Kälte am ganzen Leib zitterte; das Mädchen hatte die Knie vor dem Körper angewinkelt und das Gesicht in den Händen vergraben. Sie hatte immer noch Blut an den Händen, und auch ihr Kleid war mit Blut befleckt.
Beatrice ließ sich vor ihr in die Hocke nieder. »Wir müssen jetzt gehen.«
Das Mädchen schüttelte schluchzend den Kopf. Ihr fiel das Haar wirr in die Stirn, und Beatrice strich es zärtlich beiseite und zog Papia an sich. »Komm jetzt«, sagte sie.
Diesmal nickte das Mädchen und stand auf. Dabei würdigte sie mich keines Blickes. Beatrice hielt ihre Hand, während wir bis zum Ende der kleinen Gasse gingen, die weiter vorne in eine der Hauptstraßen einmündete.
Ich vergewisserte mich, dass niemand auf der Straße unterwegs war, die unweit unseres Lagers begann und in das Stadtzentrum hinaufführte. Kein Mensch weit und breit.
»Hier müssen wir uns trennen«, sagte ich.
»Gott behüte Euch, Tancred.«
»Euch genauso, Mylady.«
Sie sah mir tief in die Augen, doch bloß kurz, dann eilte sie mit dem Mädchen die holprige Straße hinauf. Da der Himmel bewölkt war, spendeten der Mond und die Sterne kaum Licht. So waren die beiden Frauen bereits kurz darauf in der Dunkelheit verschwunden.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, schien die Sonne in mein Zelt. Im ersten Augenblick war ich verwirrt. Denn ich hatte gerade geträumt, dass ich mit Ædda und Erchembald und meinen übrigen Leuten abends in Earnford in meinem Festsaal beisammensaß. Doch dann fiel mir wieder ein, dass ich mich ja in Scrobbesburh befand.
Ich kniff die Augen zusammen und drehte mich noch einmal auf die Seite, vergaß dabei aber die Verletzung. Ein höllischer Schmerz durchzuckte mich, und ich hielt mit der linken Hand die Schulter umfasst und wälzte mich fluchend hin und her, bevor ich mich schließlich aufsetzte. Gott sei Dank hatte die Wunde – nicht zuletzt dank des Verbands, den Beatrice mir angelegt hatte – zu bluten aufgehört. Ich öffnete den Knoten, den Beatrice gemacht hatte, da ich die Verletzung gerne einmal bei Tageslicht begutachten wollte, stellte aber fest, dass es kaum etwas zu sehen gab. An meinem Oberarm war nämlich nur eine dünne Blutkruste von der Länge meines kleinen Fingers zu erkennen. Immerhin ein Beweis, dass ich mir die Vorfälle der vergangenen Nacht nicht nur einbildete. Ich hatte Beatrice also wirklich in der Kirche getroffen und tatsächlich gegen die Männer gekämpft. Dann legte ich mir den Verband wieder an und rollte den Ärmel wieder nach unten, weil ich nicht wollte, dass jemand die Verletzung zu sehen bekam.
Als ich aus dem Zelt trat, brannte draußen schon ein Feuer, um das sich Serlo, Turold und Pons gemeinsam mit Snocca und Cnebba und einigen von
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