Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
…
Tiere nehmen sich keinen Anwalt.
Der Widerspenstigen Zähmung
30. Mai 1991
Memo: Ressort Innenpolitik
An: Jann S. Wenner
Von: Hunter S. Thompson
Datum: 15. April 1991
Betreff: Nancy Reagan/Kitty Kelly Buchbesprechung
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Der Widerspenstigen Zähmung
Jann, tief drin in unseren Herzen wissen wir beide, dass es manches gibt, das einfach nur hässlich ist, und dieses Buch gehört in diese Kategorie. Es ist alter Käse in einer neuen Verpackung, eine schäbige Story aus schäbigen – leider unseren – Zeiten. Irgendwas ist merkwürdig an einem Kalender, der einem dreizehnmal hintereinander das Jahr des Wiesels verkündet.
Aber egal, danke für das Rezensionsexemplar von Kellys Buch über Nancy. Es war gut für paar Lacher, aber das war’s dann auch schon. Klar hat es auch einen Inhalt , aber besonders weit her ist es damit nicht. Es ist ein hässliches kleines Traktat, nach dessen Lektüre man sich billig und verkommen vorkommt und von dem Verlangen heimgesucht wird, sich die Hände zu waschen.
Das Buch ist ein monumentales Beispiel für sämtliche niederen und üblen Aspekte des menschlichen Geistes. Egal ob irgendein Volltrottel bei Simon and Schuster damit einen Verkaufsschlager gelandet hat, der ihm in der Branche ewigen Ruhm einbringt, es ist so widerlich und verdammenswürdig, dass man es nicht im Haus haben möchte, weshalb ich es mir letzte Nacht endgültig vom Hals geschafft habe. Mein Freund Semmes Luckett hat es sich geschnappt und in die Müllpresse gesteckt – zusammen mit einem Karton leerer Bierflaschen. Er war schockiert und zutiefst peinlich berührt, als er das Buch auf Seite 14 aufschlug und dort bei der Betrachtung des Stammbaums von Nancy Davis Reagan feststellen musste, dass er und Nancy der gleichen Familie Luckett entstammen, die sich im Gefolge eines wohl größeren Skandals um die Jahrhundertwende aus Maryland abgesetzt hat und nach Westen gezogen ist. »Meine Mama hat nie darüber geredet«, sagte er, »aber sie ist jedes Mal aus dem Zimmer gegangen, wenn diese Frau auf unserem Fernsehbildschirm auftauchte … Gütiger Gott, ich hoffe, dass sie dieses Buch nie zu sehen bekommt.« Mit diesen Worten schnappte er sich das Buch und machte sich ans Gehen. »Mach dir keine Gedanken«, murmelte er, »ich sorge dafür, dass es dort landet, wo es hingehört.«
Wir sollten nicht abstreiten, dass sich Nancy diverse Verdienste erworben hat, die durchaus wert sind, näher beleuchtet zu werden. Die Demokraten haben fünf der letzten sechs Präsidentschaftswahlen verloren, insofern könnten sie aus diesem Buch manches lernen, anstatt bloß darüber abzukichern. Kitty Dukakis beispielsweise hätte dieses Lehrbuch der Bösartigkeit als Bettlektüre sicher gute Dienste geleistet, wäre es 1988 schon auf dem Markt gewesen. Aber leider …
Wenn man Politik als die Kunst betrachtet, die eigene Umgebung zu kontrollieren, dann hat es Nancy Reagan auf diesem Gebiet zur Meisterschaft gebracht, und man kann mit ihr bei der Arbeit, auf Reisen und ganz allgemein vermutlich wesentlich mehr Spaß haben, als ich je gedacht hätte. Für einen Magersüchtigen Knirps mit Kleidergröße 2 hat sie es Ganz Schön Weit Gebracht. Gott im Himmel! Stell dir mal vor, sie hätte auch noch ausgesehen wie Marilyn Monroe!
Ihre moralischen Kategorien sind (angeblich) die einer Schlampe auf Acid und ihr Verhalten das einer Bestie, während ihr Gatte die ganze Zeit bedröhnt gewesen ist; und während sie in der Öffentlichkeit darüber schwadronierte, dass sie das Weiße Haus nach dem Vorbild von Dolly Madison oder Grandma Moses umgestalten wolle, führte sie sich auf wie Linda Lovelace in Personalunion mit Christine Keeler und Madame Defarge.
Der ganze Ostflügel des Weißen Hauses wurde von ihnen in einen Drogen- und Orgientempel verwandelt, wie man ihn selbst in Singapur nicht schlimmer findet … Es war entsetzlich … Und die Presse hat davon nie etwas mitbekommen. Sie nannten ihn John Wayne, dabei war er noch abgedrehter als Caligula, und je abgedrehter er wurde, desto mehr liebten ihn die Wähler, und desto mehr Respekt erntete er von Ted Koppel.
Man muss sich einmal vor Augen halten, dass Lyndon LaRouche förmlich atomisiert und der abtrünnige Reverend Jim Bakker für fünfundvierzig Jahre ins Gefängnis gesteckt wurden für absolute Schmalspurversionen der dreisten und schäbigen Verbrechen und Machenschaften, wie sie von den Leuten im Weißen Haus – tagaus, tagein, 366 Tage im Jahr, vor
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