Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
Vom Netzwerk:
COUNTY. Während seines letzten Studienjahres hatte er in der Nachlassabteilung eines Unternehmens gejobbt und war mit gerichtlichen Nachlassprotokollen vertraut – der amtlichen Verfügung eines Nachlassgerichts, die eine Einzelperson ermächtigte, im Namen eines Verstorbenen zu handeln. Mehrfach hatte er selbst solche Verfügungen veranlasst, doch sicherheitshalber recherchierte er noch einmal im Internet. Dort wimmelte es nur so von Adressen, die im juristischen Bereich alles von aktuellen Präzedenzfallsammlungen bis zu Dokumentenvorlagen anboten, anhand derer sich formvollendete Schreiben für die ausgefallensten Zwecke erstellen ließen. Er selbst benutzte normalerweise die Website der Emory University Atlanta. Dort fand er die amtlichen Wendungen für die Fälschung der Nachlassverfügung.
    Als der Drucker das gewünschte Schreiben ausgespuckt hatte, zeigte er es Akilina. »Sie sind die Tochter einer Zaneta Lubmilla. Ihre Mutter ist kürzlich verstorben und hat Ihnen diesen Schlüssel ihres Banksafes hinterlassen. Das Nachlassgericht von Fulton County, Georgia, hat Sie zur Bevollmächtigten ernannt, und ich bin Ihr Anwalt. Da Sie kaum Englisch sprechen, soll ich hier alles für Sie regeln. Als Bevollmächtigte müssen Sie ein Verzeichnis der Hinterlassenschaft Ihrer Mutter erstellen, einschließlich dessen, was sich in diesem Banksafe befindet.«
    Sie lächelte. »Genau wie in Russland. Gefälschte Dokumente. Nur so erreicht man etwas.«
     
    Die Credit & Mercantile Bank befand sich nicht – wie das Werbeplakat es erwarten ließ – in einem neoklassizistischen Granitgebäude, sondern in einem der modernen Stahl-und-Glas-Bauten des Bankenviertels. Lord kannte die Namen der benachbarten Wolkenkratzer: das Embarcadero Center, das Russ Building und der unverwechselbare Transamerica Tower. Die Geschichte des Viertels war Lord vertraut. Die zahlreichen ansässigen Banken und Versicherungsgesellschaften hatten ihm den Namen Wall Street der Westküste eingebracht. Doch auch Ölgesellschaften, Telekommunikationsriesen, Baufirmen und Bekleidungskonzerne waren hier in großer Zahl vertreten. Seine Entstehung verdankte dieses Viertel dem kalifornischen Gold, und das Silber Nevadas hatte ihm dann seinen Platz in der amerikanischen Finanzwelt gesichert.
    Das Interieur der Credit & Mercantile Bank war eine moderne Kombination aus Schichtholz, Terrazzo und Glas. Die Banksafes lagen im zweiten Stock, und dort warteten drei Angestellte mit sehr blondem Haar an der Rezeption. Er zeigte ihnen den Schlüssel, die gefälschten Dokumente und seine Anwaltszulassung des US-Staates Georgia. Er lächelte freundlich und hoffte, sie würden nicht viele Fragen stellen. Doch der neugierige Blick der Angestellten, die sich seiner annahm, war alles andere als ermutigend.
    »Wir haben keinen Safe mit dieser Nummer«, erklärte sie kühl.
    Er zeigte auf den Schlüssel in ihrer Hand. »C. M. B. Das ist doch Ihre Bank, oder?«
    »Es ist unser Akronym«, war alles, was sie ihm zugestand.
    Er beschloss, es mit energischem Auftreten zu versuchen. »Ma’am, Miss Lubmilla möchte die Angelegenheiten ihrer Mutter schnell regeln. Ihr Tod war sehr schmerzlich für sie. Wir haben Grund zu der Annahme, dass dieser Safe recht alt sein könnte. Ihrer Werbekampagne zufolge besteht Ihr Institut schon seit 1884.«
    »Mr. Lord, vielleicht verstehen Sie mich, wenn ich ein wenig langsamer rede.« Ihr Tonfall missfiel ihm immer mehr. »In dieser Bank gibt es keinen Safe mit der Nummer sieben sechzehn. Wir haben ein anderes Nummerierungssystem. Wir verwenden eine alphanumerische Zählung. Und zwar seit jeher.«
    Er wandte sich an Akilina und erklärte auf Russisch: »Von ihr erfahren wir nichts. Sie sagt, es gibt in der Bank kein Schließfach mit der Nummer sieben sechzehn.«
    »Was sagen Sie da?«, fragte die Frau.
    Er drehte sich wieder zu ihr um. »Ich erklärte ihr, dass sie ihren Schmerz noch eine Weile bezähmen muss, weil wir hier keine Antwort finden.«
    Er wandte sich wieder Akilina zu. »Machen Sie einmal ein trauriges Gesicht. Vielleicht bringen Sie sogar ein paar Tränen zustande.«
    »Ich bin Akrobatin, nicht Schauspielerin.«
    Er umfing sanft ihre Hände und warf ihr einen verständnisvollen Blick zu und sagte auf Russisch: »Versuchen Sie es. Das macht es einfacher.«
    Akilina warf der Frau einen Blick zu, in dem einen Moment lang Kummer zu lesen war.
    »Schauen Sie«, erklärte die Frau, während sie Lord den Schlüssel zurückreichte.

Weitere Kostenlose Bücher