Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)

Salingers Holden, aber er hat eine neue Waffe für den Überlebenskampf Pubertät, den Holden nicht hatte: Ironie. Lies selbst, wie er seine erste Nacht im Internat resümiert: »Das war alles ein wenig viel für mich heute: Anstatt zu schlafen, eine Feuerleiter hinaufzuklettern, zu saufen, was das Zeug hält, mal eben ein bisschen zu vögeln und nebenbei erwachsen zu werden. Das reicht für eine Nacht. Da würde jeder kotzen, glaube ich.«
    Pubertät kann man nicht heilen (aber sie geht ja ohnehin von selbst vorbei. Bei den meisten zumindest), aber es gibt Mittel und Wege, das Beste daraus zu machen, z. B. tolle Partys, Freunde – und eine gesunde Portion ironische Distanz zu sich selbst.
    Berie, die Erzählerin in Lorrie Moores Froschkönigin , kennt all die typischen Pubertäts-Gräuel. Sie ist eine Spätentwicklerin, die ihre Verlegenheit überspielt, indem sie sich über ihre »Spiegeleier« und »plattgewalzten Blechdosen« lustig macht. Sie und ihre beste Freundin Sils krümmen sich vor Lachen, als sie daran denken, dass Sils mal versucht hat, ihre Pickel wegzurasieren. Die beiden lachen viel zusammen, und sie tun es in heftigen, krampfartigen Anfällen, »bei denen zunächst kein Laut nach außen« dringt. Und sie singen – alles von Weihnachtsliedern über Fernsehmelodien bis zu Dionne Warwick. Und das ist gut so. Denn wenn wir mit vierzehn nicht laut und schief mit unseren Freunden singen, um uns im Herzen auf »etwas Großes, Überwältigendes« vorzubereiten, wann dann?
    Die Pubertät muss nicht die Hölle auf Erden sein. Vergiss nicht, dass es deinen Freunden nicht anders geht als dir, und wenn ihr könnt, tut euch zusammen, um gemeinsam diese Schwelle zu meistern. Ob mit oder ohne Freunde, sieh zu, dass du all die dummen, verrückten Dinge machst, die man nur als Teenager macht. Und wenn du während der 279 Schulzeit keine Gelegenheit dazu hast, dann nimm dir anschließend eine Auszeit. (Aber vergiss nicht, die richtigen Bücher einzupacken, Vorschläge siehe unten.) Denn dann kannst du irgendwann auf diese wunderbare, berauschende, hormongesteuerte Zeit zurückblicken – und lachen.
    ▶ Bett; Unfähigkeit es zu verlassen
    ▶ Internetsucht
    ▶ Reizbarkeit
    ▶ Risikobereitschaft
    ▶ Teenager sein
    Die zehn besten Romane für eine Auszeit nach der Schule
    Kultbücher, die dich dein Leben lang begleiten werden. Mit einem davon in deinem Rucksack wirst du immer etwas haben, worüber du mit anderen reden kannst. Sie werden zur künftigen Messlatte – und nicht nur zur literarischen.
    Der Meister und Margarita Michail Bulgakow
    Das Hotel New Hampshire John Irving
    On the Road Jack Kerouac
    Blumen für Algernon Daniel Keyes
    Faserland Christian Kracht
    Hundert Jahre Einsamkeit Gabriel García Márquez
    All die schönen Pferde Cormac McCarthy
    Moby Dick Herman Melville
    Der Wolkenatlas David Mitchell
    Onno Viets und der Irre vom Kiez Frank Schulz

280 R

Rationalismus, übersteigerter
    Homo Faber
Max Frisch
    Kennen Sie jemanden, der die Schönheit einer Blume über deren Symmetrieachsen erfassen will? Oder die Masse des Mondes berechnet, statt ihn zu bestaunen? Der Statistiken gegen Intuition ausspielt und jeden als Esoteriker abstempelt, der Shakespeare mit »Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt« zitiert? Ein solcher Jemand würde wohl niemals unsere Romantherapie in die Hand nehmen, geschweige denn ein literarisches Werk. Helfen Sie ihm und jubeln Sie ihm Max Frischs Homo Faber unter.
    Die Geschichte des Ingenieurs Walter Faber (»Ich mache mir nichts aus Romanen, so wenig wie aus Träumen«), den das Leben zwingt, zu erkennen, dass die Technik der Natur keineswegs überlegen ist und dass es zu allem Überfluss auch noch so etwas wie ein Unterbewusstsein gibt, ist heute so lesenswert wie 1957 (und wird es immer bleiben, auf Papier oder E-Reader – völlig egal). Es ist ein wahrer Zaubertrank gegen übersteigerte Ratio, ein Pamphlet für den Instinkt, das Gefühl, die Phantasie und die Poesie. Gut, Sie 285 müssen damit rechnen, dass der Patient zu Beginn der Therapie Symptome einer Erstverschlimmerung zeigt. Es könnte sein, dass er sich zum Beispiel einen solarbetriebenen Akku für sein Smartphone kauft, damit er, im Falle eines Flugzeugabsturzes, nicht ohne Technik in der Wüste sitzt wie Walter Faber. Aber seien Sie ganz ruhig. Niemand kann sich auf Dauer der Magie entziehen, mit der Max Frisch seine Motive führt: Faber ist getrieben von dem Wunsch,