Die Rose der Highlands
lieber nicht reizen, durchfuhr
es sie, und sie begann zu zittern. Sie suchte Keiths Blick, um ihm zu
signalisieren, dass sie Ruhe bewahren würde. Er schien völlig durcheinander,
doch er wandte den Kopf hastig zur Seite. Warum kann er mir nicht in die Augen
sehen? Weil ich erkennen muss, dass er in Wirklichkeit ein Feigling ist, der
sich nicht einmal traut, dieser gewalttätigen Person das Handwerk zu legen?
Wenn er passiv blieb, dann würde sie der Dame gleich kräftig gegen das
Schienbein treten müssen, um sich in Sicherheit zu bringen.
»Marta, du irrst dich. Es ist nichts geschehen! Wir müssen gar
nichts unternehmen«, hörte sie Keith da eindringlich sagen, während er das
braune Buch zur Hand nahm, Seiten herausriss, diese und dann den Rest des
Tagebuchs samt Umschlags auf das kalte Holz warf, das im Kamin aufgeschichtet
war.
Rose stockte der Atem. Was redete er da bloÃ? Und warum wollte er
das Buch verbrennen? Da muss etwas Schlimmes drinstehen, was ich nie erfahren
sollte. Ãber ihn, über Keith ⦠wenn ich doch bloà wüsste, was, dachte Rose
verzweifelt.
Noch einmal versuchte sie, seinen Blick zu erhaschen. Vergeblich, er
schaute krampfhaft an ihr vorbei.
»Marta, komm, geh ins Bett, lass mich mit ihr reden«, redete er beschwörend
auf die dunkelhaarige zierliche Frau ein, die ihre Handtasche nun vor Rose auf
den Tisch stellte und deren sonst so ebenmäÃiges Gesicht zu einer hässlichen
Fratze verzogen war.
»Du glaubst ihr nur, weil sie so unschuldig aus der Wäsche guckt.
Merkst du das denn gar nicht? Sie spielt Katz und Maus mit uns!« Miss Brannons
Stimme überschlug sich.
Doch Rose nahm das alles wie durch einen Nebel wahr. Ihre ganze
Aufmerksamkeit galt Miss Brannons Händen. Gebannt beobachtete sie, wie Miss
Brannon etwas aus ihrer Handtasche hervorholte. Einen Augenblick später
erkannte sie, was es war: Eine Spritze und eine Ampulle. Rose betrachtete diese
Utensilien mit sachlichem Interesse, wie alles, was zum Bereich der Medizin
gehörte. Erst als Miss Brannon die Ampulle geöffnet hatte und die klare
Flüssigkeit aufzog, kam es in ihrem Bewusstsein an, dass die Verrückte
vorhatte, ihr das Mittel â was es auch immer sein mochte â zu injizieren.
Mit einem mörderischen Schrei sprang Rose vom Stuhl auf und
flüchtete sich geradewegs in Keiths Arme. Er hielt sie ganz fest im Arm. Bei
ihm bin ich in Sicherheit, durchfuhr es sie erleichtert.
»Wir müssen etwas unternehmen. Die Frau ist gefährlich. Hol die
Polizei, die ist irre«, japste sie, doch dann hielt sie inne. Mit einem Mal
fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. »Es war gar kein Zufall, dass du in
unser Haus gekommen bist. Die alte Hexe, das ist Lady Caitronia, und die
Trinkerin, das ist Tante Shona â¦Â«, murmelte sie entgeistert.
»Es tut mir so leid«, erwiderte er heiser und beinahe mitfühlend.
»Du hättest das dumme Buch nicht finden dürfen, Kleines.«
Keith löste sich aus der Umarmung. Er sah sie bedauernd an.
Rose hatte den Sinn seiner Worte noch gar nicht richtig begriffen,
als Miss Brannon mit der Spritze in der Hand auf sie zukam.
»Keith, bitte, so unternimm doch etwas!«, schrie Rose erneut in Todesangst,
aber da spürte sie bereits, wie sich seine Hände Schraubstöcken gleich um ihre
Handgelenke legten, um sie daran zu hindern, Widerstand zu leisten. Ehe sie es
sich versah, hatte er sie auf einen Stuhl gestoÃen und hielt sie fest. So war
es ein Leichtes für Miss Brannon, den Ãrmel ihrer Bluse hochzuschieben und ihr
die Flüssigkeit in die Vene zu injizieren. Rose schaffte es zwar, ihr einen
FuÃtritt zu versetzen, aber das schien sie nicht einmal zu bemerken.
»Gib bloà auf die Dosierung acht!«, ermahnte Keith die Haushälterin
streng. Seine Stimme war eiskalt und hatte nichts Menschliches mehr an sich.
Aber wenn sie schon sterben sollte, wollte Rose dies nicht kampflos
über sich ergehen lassen.
»Keith? Warum?«, fragte sie flehend. »Und sieh mich an, wenn du mir
das erklärst.«
»Das könnte dir so passen«, keifte Miss Brannon, während Keith sich
weiterhin in Schweigen hüllte.
Rose begriff endlich, dass es keinen Sinn hatte, an sein Herz zu
appellieren. Jetzt musste sie alles auf eine Karte setzen, und sie wusste auch
schon, welche sie in ihrer Verzweiflung ausspielen würde.
»Wenn ihr mich umbringt, wird meine Mutter
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