Die Rose der Highlands
könnte ich leben,
wenn ich nicht ein Kind der Highlands wäre. Mir würden schnell die Hochmoore
fehlen und das Wasser und die Wälder ⦠Keith hat mir
Geld gegeben, damit ich mir ein paar Kleider kaufen kann. Solche schönen
Kleider hast du noch nie gesehen, ich meine natürlich, bis auf das rote, das du
mir geschenkt hast. Und das Nachthemd, das mir Dad mitgebracht hatte. Ach, was
würde ich darum geben, wenn ich mit Keith nach Hause kommen könnte und du mich
mit offenen Armen empfangen würdest. Ich muss jetzt Schluss machen. Miss
Brannon, die strenge Haushälterin, kommt gerade ins Zimmer, und die geht immer
früh schlafen. Und dann muss ich gleich das Licht löschen. Deine Rose
Als in den folgenden Wochen kein neuer Brief ihrer Tochter
mehr gekommen war, hatte Lili zunächst gehofft, dass die beiden sich vielleicht
auf der Rückreise befanden, doch vor nunmehr zwei Wochen war es dasselbe
traurige Bild in Fortrose gewesen: Der Abklatsch von Scatwell Castle war wie
ausgestorben. Nicht einmal mehr Handwerker gingen dort ein und aus. Lili hatte
sich bei ihrem letzten Besuch durch ein Fenster gewaltsam Einlass verschaffen
wollen, um sich in Ruhe im Inneren umzusehen, doch Liam hatte ihr das
erfolgreich ausreden können.
Schade, dass ich nicht mit Isobel darüber sprechen kann, dachte Lili
bekümmert, aber das Thema anzuschneiden, traue ich mich nicht. Sie war ja
dankbar, dass Isobel überhaupt wieder mit ihr redete. Auch das hatte Lili Liam
zu verdanken. Er hatte Isobel so sehr für das Armenprojekt begeistern können,
dass ihre Stieftochter jede freie Minute mithalf. Und sie hatte sich zu Lilis
groÃer Freude mit Mhairie angefreundet, die eine feste Mitarbeiterin im
Armenhaus geworden war.
Lili und Isobel hatten die ersten Male bei der Essensausgabe stumm
nebeneinander gestanden. Doch dann hatte Liam sie zu sich nach Hause eingeladen.
Und dort hatte sich der Kontakt zwischen Lili und ihrer Stieftochter bei einem
lockeren Kamingespräch wieder entkrampft. Seitdem herrschte das ungeschriebene
Gesetz, dass weder Rose noch Lord Fraser erwähnt wurden. Ein einziges Mal hatte
Lili über das verlorene Vermögen sprechen wollen, das Isobel auf Anraten des
Lords diesem Mister Jones anvertraut hatte, doch Isobel hatte das förmlich
abgewehrt. »Danke der Nachfrage, aber mein Anwalt kümmert sich darum.« Lili
hatte diesen Hinweis verstanden: Sie sollte nicht nachfragen. Es ging sie
nichts an.
Umso erfreuter war sie deshalb, dass Isobel für den heutigen
Nachmittag ihren Besuch auf Little Scatwell angekündigt hatte. Auch sie hatte
positiv darauf reagiert, als sie vom geplanten Verkauf von Scatwell Castle
erfahren hatte. »Mein Herz hängt nicht an dem Haus. Ich wäre traurig gewesen,
wenn du Little Scatwell verkauft hättest«, hatte sie Lili ungerührt mitgeteilt.
Lili sah in Isobels heutigem Besuch jedenfalls ein erneutes Zeichen
ihrer Annäherung. Und deshalb würde sie auch Fiona bitten, Isobel Shortbread zu
backen, das sie schon als Kind leidenschaftlich gern gegessen hatte.
Schwungvoll erhob sie sich aus dem Liegestuhl, als sie ihre Köchin
wild gestikulierend auf sich zueilen sah.
»Misses Munroy, Misses Munroy, Sie haben Besuch, was soll ich tun?«
Völlig auÃer Atem hielt die Köchin inne.
»Nun sag schon, wer ist es? Ein potentieller Käufer für Scatwell
Castle vielleicht?«
»Lord Fraser!«
Lili wurde leichenblass. »Fraser? Der wagt sich hierher? Ist Rose
bei ihm? Wo ist Rose?«
»Er ist allein!«, seufzte Fiona, doch Lili lieà ihre Köchin stehen
und rannte los. Was fällt diesem Menschen ein, ohne meine Tochter hier
aufzukreuzen?, dachte Lili aufgebracht, während sie durch den Hintereingang ins
Haus stürmte.
Lord Fraser stand im Flur. Fiona hatte sich offenbar nicht getraut,
ihn ins Wohnzimmer zu bitten.
»Wo ist Rose?«, fragte Lili in scharfem Ton und baute sich
kämpferisch vor ihm auf.
»Erst einmal einen wunderschönen Tag, Misses Munroy, oder soll ich
lieber Schwiegermutter sagen?«
»Sie sollen mir auf der Stelle meine Frage beantworten. Wo ist meine
Tochter?«
»Die Gute hat mich vorgeschickt. Ich sollte erst einmal die Stimmung
vor Ort überprüfen, bevor sie sich herwagt.«
»Blödsinn! Wenn meine Tochter etwas nicht ist, dann feige! Dieses
Märchen nehme ich Ihnen nicht ab.«
»Das ist Ihre Entscheidung. Dann darf ich
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