Die Rose der Highlands
sage Lord Fraser Bescheid.«
Lili atmete tief durch. Der erste Schritt war getan. Man hatte ihr
Einlass ins Haus gewährt. Nun musste sie nur noch Lord Fraser um den Finger
wickeln und dann ⦠ja, dann kam der schwierigste Teil, aber daran wollte sie
lieber noch gar nicht denken.
Sie sah sich neugierig um. Drinnen besaà das Haus nicht annähernd
die altmodische Eleganz von Scatwell Castle. Die gesamte Einrichtung war etwas
wahllos zusammengestellt von jemandem, der offenbar glaubte, dass er Geschmack
hatte, dem aber das leichte Händchen beim Kombinieren fehlte. AuÃerdem war es
kalt. Lili rieb sich die Hände, um sich aufzuwärmen. So schön es an diesem Tag
auch drauÃen war, die Räume blieben kühl.
Lili wunderte sich, wieso der Kamin nicht brannte. Dabei war es ein
schönes Stück, wie Lili neidlos zugeben musste. Sie trat auf ihn zu und fasste
den edlen Stein an, aus dem der Kaminsims gefertigt war.
Da blieb ihr Blick an einem braunen Buchdeckel hängen, der aus dem
Holzstapel im Kamin ragte. Und eine Erinnerung kam ihr ⦠»Das braune Buch, das
braune Buch«, hatte Rose gerufen. Lili drehte sich einmal kurz zur Tür, um sich
zu vergewissern, dass sie nicht beobachtet wurde und zog den Deckel hervor.
Enttäuscht stellte sie fest, dass es sich offenbar um den abgerissenen Deckel
eines Tagebuchs handelte, der ihr gar nichts sagte. Sie wollte ihn gerade
wieder an seinen Platz zurückstecken, als sie den Rest von dem Buch entdeckte
und mit klopfendem Herzen unter den Holzscheiten hervorzog. Sie überlegte, ob
sie einen kurzen Blick hineinwerfen sollte, aber da hörte sie schon die Schritte
des Hausherrn in der Diele. Hastig lieà sie das Tagebuch in ihrer Handtasche
verschwinden, bevor sie sich an den Esstisch setzte und so tat, als würde sie
ungeduldig auf ihn warten. Der Mann trat in diesem Augenblick, bekleidet mit
einem karierten Morgenmantel, durch die Tür. Sein Haar war zerzaust und sein
Gesicht von Falten zerfurcht.
»Habe ich Sie geweckt?«, fragte Lili mitfühlend.
»Ja, es ist alles nicht so einfach mit Roses Krankheit. Es muss Tag
und Nacht jemand für sie da sein.«
Lili lächelte gequält. »Das ist der Grund, warum ich hier bin, auÃer
dass ich mich für meinen schrecklichen Auftritt entschuldigen möchte.
Vielleicht hat es Ihnen Miss Brannon bereits mitgeteilt, aber ich war bei
diesem Doktor, und der hat mir den Kopf zurechtgerückt.«
»Wie das?«
»Er hat mir die Augen geöffnet, dass meine Tochter schwer erkrankt
ist und dass ich, wenn ich ihr wirklich helfen will, Sie unterstützen sollte.«
»Und das aus Ihrem Mund?«, hakte Lord Fraser skeptisch nach.
»Ich weiÃ, Sie trauen mir nicht über den Weg, aber bitte haben Sie
Verständnis. Es ist nicht einfach für eine Mutter, wenn ihr die kleine Tochter
genommen wird!«
»Aber â¦Â«
»So habe ich das auf jeden Fall gesehen, und nun bin ich eines
Besseren belehrt. Wir haben ein gemeinsames Ziel: Dass Rose wieder gesund wird.
Und dazu müssen wir an einem Strang ziehen.«
»Und was heiÃt das?«, knurrte Lord Fraser.
»Der Doktor hat mir geraten, dass ich als ihre Mutter auch
Nachtwachen übernehme. Und hier bin ich. Denn ich habe etwas
wiedergutzuzmachen.«
»Wie, Sie wollen heute Nacht hierbleiben? Ist nicht nötig, dazu ist
ja Miss Brannon da.«
»Aber die sieht auch so übernächtigt aus. Bitte lassen Sie mich
wenigstens einen kleinen Beitrag für meine Tochter leisten.«
Lord Fraser schien unschlüssig.
»Bitte, Keith.«
Er überlegte.
»Gut, unter einer Bedingung. Sie sorgen dafür, dass Isobel ihre
Zustimmung zum Verkauf gibt und dass die Sippe verschwindet.«
»Schon erledigt, Keith«, säuselte Lili. »Liam hat mir die Rechtslage
erläutert. Das Haus gehört zur Hälfte Rose, also bekommen Sie das Geld aus dem
Verkaufserlös. Wenn meine Rose wirklich nach Muray-House muss. Das kostet ja
eine Menge. Und sie soll dort nur das Beste bekommen.«
»Muray-House ist nicht gut genug für sie. Ich habe eine passende
Einrichtung für Rose gefunden. Dort kann man ihr wirklich helfen, ohne dass sie
dort lebenslang eingesperrt wird.«
»Eine andere Einrichtung?«, erwiderte Lili und versuchte, ihr
Entsetzen zu verbergen. Was hatte der Mann vor? Bereitete er schon alles für
seine Flucht vor?
»Ja, in der Nähe von Nizza
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