Die Rose der Highlands
den Doktor doch gleich einmal fragen. Sie warten
hier!«
Die Schwester drehte sich auf dem Absatz um und verschwand hinter
einer Ecke. Ohne zu zögern, folgte ihr Isobel und guckte ihr neugierig
hinterher. Dort, am Ende des langen Ganges, sprach die Schwester einen
mittelgroÃen Mann mit dichtem rotem Haar und einer runden Brille auf der Nase
an. Doktor Scott, durchfuhr es Isobel. Dass er zum Personal gehörte, war
unschwer an seinem blütenweiÃen Kittel zu erkennen.
Isobel vergaà jegliche Vorsicht, trat aus ihrem Versteck und beobachtete,
wie der Arzt heftig gestikulierte. Dann deutete die Krankenschwester in Isobels
Richtung. Es war zu spät, sich hinter die Ecke zu flüchten. Sie lächelte breit
in seine Richtung, doch der Arzt schüttelte den Kopf und verschwand hinter
einer Tür.
»Doktor Scott, warten Sie«, rief Isobel und wollte ihm folgen, doch
da hatte sich ihr bereits die Krankenschwester, die Isobel mindestens um einen
Kopf überragte und doppelt so breit wie sie war, in den Weg gestellt.
»Das haben schon ganz andere versucht, meine Liebe. Und Sie
verlassen Muray-House jetzt durch jene Tür, durch die Sie gekommen sind.«
Isobel versuchte noch, sich an ihr vorbeizudrängen, doch da packte
die Schwester sie grob am Oberarm und beförderte sie vor die Tür.
Jetzt blieb ihr nur noch eine Chance. Sie musste vor der Anstalt
warten, bis der Arzt sie nach Feierabend verlieÃ. Sie konnte nur hoffen, dass
er keinen Nachtdienst hatte.
52
L ili hatte Fiona
nicht unnötig beunruhigen wollen und hatte ihr vorgeflunkert, sie werde Lady
Sibeal besuchen und dort auch übernachten.
Nun hatte sie bereits Muir of Ord hinter sich gelassen. Ein paarmal
hatte sie erheblich daran gezweifelt, ob es wirklich eine gute Idee war, sich
in der Dämmerung nach Fortrose zu wagen. Und natürlich hatte sie sich gefragt,
ob sie zu ihrem Schutz Liam mitnehmen sollte, doch sie wurde das Gefühl nicht
los, dass es allein an ihr war, ihre Tochter zu retten. SchlieÃlich hatte sie
diesen Halunken überhaupt ins Haus gelassen. Und war sie anfangs nicht auch
fasziniert gewesen von seiner Ausstrahlung und der Ãhnlichkeit, die er auf den
ersten Blick mit Dusten hatte? Was, wenn er den echten Fraser tatsächlich
umgebracht hatte? Wer war er wirklich? Ob er nicht auch die Munroys auf dem
Gewissen hatte? Und vor allem Dusten?
Lili war, seit sie Isobels Nachricht gelesen hatte, in Gedanken
mehrmals den Stammbaum der Familie Makenzie durchgegangen. Wenn es nun doch
eine Verbindung zur alten Familienfehde gab, dann musste der Rächer ein Makenzie
sein. Denn wer würde schon seine eigene Sippe ausrotten? Allein der Gedanke,
einer ihres Clans habe Dusten umgebracht, verursachte ihr Ãbelkeit. AuÃerdem
wollte ihr beim besten Willen niemand einfallen. Wobei ⦠Sie stutzte. Angus
hatte damals nicht nur Artair von seinem Land vertrieben, sondern auch dessen
Brüder. Sein jüngster Bruder war kinderlos in Marybanks gestorben, aber die
anderen. Was, wenn einer von Artairs unbekannten Nachfahren in die Rolle des
Lord Fraser geschlüpft war?
Lili versuchte, diesen Gedanken abzuschütteln, denn sie musste sich
nun auf den Weg konzentrieren. Im Hellen kannte sie ihn beinahe auswendig, aber
jetzt, wo sich langsam die Dunkelheit über den Moray Firth legte, war sie froh,
dass wenigstens ein voller Mond schien.
Wenig später stand sie in Fortrose an der Abzweigung, die zu dem
Haus führte. Sie spürte die Aufregung in allen Gliedern und war krampfhaft
bemüht, das Zittern ihrer Hände zu verbergen, als sie zum zweiten Mal an diesem
Tag gegen die Haustür pochte. Und wieder öffnete ihr Miss Brannon.
»Haben Sie noch nicht genug?«, fauchte diese Lili an, die ihr
blitzschnell einen Blumenstrauà überreichte.
»Entschuldigen Sie, ich habe mich scheuÃlich benommen«, erklärte sie
zerknirscht.
Miss Brannon war sichtlich verblüfft.
»Ich würde mich, wenn ich darf, auch gern persönlich bei Lord Fraser
entschuldigen. Und ich muss ihm etwas beichten. Ich war doch bei Roses
behandelndem Arzt in Inverness und der hat mir den Kopf gewaschen â¦Â«
»Ja ⦠ich meine ⦠dann ⦠ich weià nicht«, stammelte Miss Brannon.
»Dürfte ich?«, fragte Lili höflich und deutete auf die Diele.
Miss Brannon schien noch mit sich zu kämpfen, aber dann trat sie
beiseite.
»Warten Sie doch im Salon. Ich
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