Die Rose der Highlands
Isobel. Die ist so
undankbar, obwohl du alles für sie getan hast. Sie ist derart krank vor Eifersucht
auf mich, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Hoffentlich ändert
sich das, wenn sie diesen Lord geheiratet hat.«
»Rose, steigere dich nicht in deine Wut hinein. Eine von euch beiden
muss doch die Vernünftigere sein und nachgeben. Du hast dich doch auch früher
nie so provozieren lassen.«
Rose löste sich aus der Umarmung. Ihre Augen funkelten vor Zorn.
»Mom, ich war ein Kind und war rasend stolz, eine groÃe Schwester zu haben. Ich
habe sie angebetet und bewundert. Da habe ich einfach überhört, dass sie mich
seit jeher gängeln wollte. Rose, tu das, Rose, tu dies, Rose, das gehört sich
nicht! Doch in den letzten Jahren habe ich das sehr wohl gemerkt, und es hat
mich gestört. Aber sollte ich mich im letzten Jahr vielleicht mit meiner Schwester
streiten? Du hattest Kummer genug! Aber eines schwöre ich dir: In Zukunft lasse
ich mir gar nichts mehr von ihr gefallen. Sie ist durch und durch gehässig.
Denk doch an das Schulgeld und jetzt die Collane. Sie hätte groÃzügig sein und
wenigstens anerkennen können, dass sie zur Hälfte mir gehört. Aber sie will
mich leiden sehen. Jede Wette. Weil sie damals von der Schule musste, nachdem
ihre Mutter sich umgebracht hat. Sie will, dass es mir auch schlecht geht. Und
sie brennt vor Neid, dass ich wie Dad bin und dass du ihn mehr geliebt hast als
ihren Vater.«
»Bitte, Schatz, fang nicht wieder davon an«, unterbrach Lili die
anklagenden Worte ihrer Tochter energisch, obgleich sie sich insgeheim
wunderte, wie scharfsinnig Rose die Gründe für Isobels Eifersucht analysierte.
»Es gibt heute Morgen wirklich Wichtigeres. Isobel ist mitten in der Nacht
fortgeritten. Ich mache mir entsetzliche Sorgen um sie. Wenn ihr nun etwas
geschehen ist. Oder, warte mal, vielleicht â¦Â«
Lili rannte an Rose vorbei aus dem Zimmer.
»Vielleicht ist sie inzwischen zurückgekommen, und ich habe es nicht
gehört«, ergänzte sie aufgeregt.
Rose folgte ihrer Mutter. Aus ihrem Blick sprach partout keine Sorge
um die Stiefschwester, sondern allein der Ãrger darüber, wie sich ihre Mutter
Isobels wegen aufführte.
»Mom, sie ist erwachsen. Sie wird bald heiraten. Und auÃerdem ist
sie ein Biest und â¦Â«
Lili aber hörte ihr gar nicht mehr zu, sondern riss Isobels
Zimmertür auf. Der Kleiderschrank stand sperrangelweit auf, und das Bett war
unberührt.
»Warum machst du so einen Aufstand? Du führst dich auf, als sei sie
zwölf. So einen Zauber würdest du um mich bestimmt nicht veranstalten!«
Lili fuhr wütend herum. »Hör jetzt auf damit! Es ist nicht der
Zeitpunkt, zu diskutieren, was ich wann für wen von euch beiden tun würde.
Verstehst du das denn nicht? Sie ist mit Una fort!«
»Na und?«
Lili ballte die Fäuste. »Immerhin ist es die Stute, die deinen Vater
abgeworfen hat!«
»Aber du predigst doch immer, dass wir uns keine Sorgen machen
sollen. Und dass es keinen Fluch gibt! Sie wird zu ihrem Verlobten geflüchtet
sein, und da kann sie auch meinetwegen bleiben, bis sie schwarz wird.«
»Rose, bitte sag doch nicht so etwas!«, fuhr Lili ihre Tochter an.
»WeiÃt du, Mom?«, schnaubte Rose. »Du tust wirklich so, als wäre sie
deine Tochter, aber das ist sie nicht. Was kannst du dafür, dass sich ihre
Familie so schäbig benommen und ihre Mutter in den Tod getrieben hat? Du
hättest allen Grund gehabt, mit Dad einen Neuanfang zu machen, ohne diese Last
der Vergangenheit!«
»Was willst du damit sagen?« Lili trat bedrohlich auf ihre Tochter
zu. »Dass ich Isobel bei den Munroys hätte lassen sollen?«
Rose zeigte sich kein bisschen eingeschüchtert, sondern baute sich
mit verschränkten Armen vor ihrer Mutter auf.
»Ja, vielleicht würden wir uns dann weniger zanken. Auch, wenn du es
nicht wahrhaben willst, sie ist nicht deine Tochter, und du kannst sie getrost
ziehen lassen. Wir kommen allein zurecht, auch ohne ihr dummes Geld!«
Lili spürte ein Zucken in der Hand, doch sie konnte sich
beherrschen. Noch einmal würde sie in ihrer Hilflosigkeit nicht handgreiflich
werden.
»Ich fahre nach Strathpeffer«, sagte sie stattdessen leise.
»Willst du etwa nachgucken, ob sie zu ihrem Lord ins Highland Hotel
geflüchtet ist? Das ist doch wohl nicht dein
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