Die Rose der Highlands
Ernst?« Rose musterte Lili
spöttisch.
»Oh doch, genau das habe ich vor, und niemand wird mich davon
abbringen«, fauchte sie. »Denn auch wenn du der Meinung bist, ich hätte sie
damals ihrem Schicksal überlassen sollen, in meinem Herzen ist Isobel sehr wohl
meine Tochter!«
Lili machte einen Bogen um Rose und eilte zurück in ihr
Schlafzimmer. Sie zitterte am ganzen Körper. Auf zweierlei Dinge in ihrem Leben
hatte sie stets fest gebaut: Ihre Liebe zu Dusten und dass sie eine gute Mutter
war. Beides brach jetzt zusammen wie einst die Brücke von Tay im Sturm. Dusten
war tot, und beide Töchter hegten einen Groll gegen sie. Und nur, weil sie
beide gleichermaÃen liebte. Ja, ihre mütterlichen Gefühle machten keinen
Unterschied, ob das eine Kind unter ihrem Herzen gewachsen war und das andere
nicht. Isobel war ihre Tochter, und daran konnte auch Rose nichts ändern.
Lili lieà sich auf ihr Bett fallen und schlug die Hände vors Gesicht,
bevor sie in lautes Schluchzen ausbrach. »Dusten, bitte hilf mir!«, stöhnte sie
unter Tränen. Doch er war nicht mehr da, um sie in den Arm zu nehmen und seiner
Stieftochter hin und wieder ins Gewissen zu reden, wenn deren Sticheleien ein
erträgliches Maà überschritten hatten. In einem musste sie Rose insgeheim Recht
geben: Von ihr gingen diese ständigen Angriffe wirklich nicht aus. Sie wehrte
sich nur nach Kräften. Und wenn Lili es so recht überlegte, war es in der Tat
kein guter Zug Isobels, Rose das Schulgeld zu verweigern. Wohin Isobel auch
immer geflüchtet war, es lag ein ernstes Gespräch an. Es war nun an Lili, ihr
ins Gewissen zu reden. Denn sonst würde die Lage zwischen den beiden jungen
Frauen bald mächtig eskalieren, jetzt, wo auch Rose nicht mehr einlenkte,
sondern kräftig dagegenhielt.
Isobels Vermögen, das Haus in Inverness oder die Collane würde Lili
ihrer Stieftochter gegenüber allerdings nie mehr erwähnen. Sonst versteifte sie
sich noch in den abstrusen Gedanken, Lili würde sie nur deshalb lieben. Nein,
das war in Zukunft tabu. Sie musste sich in dieser schwierigen Lage selber
helfen. Keinen Penny würde sie von Isobel annehmen!
Seufzend dachte Lili daran, dass damit zwangsläufig die Tage von
Little Scatwell gezählt waren. Sie würde umgehend Liam Brodie beauftragen,
einen Käufer zu finden. Denn über dieses Anwesen konnte sie ganz allein
verfügen. Dusten hatte es ihr vererbt.
Lili war fest entschlossen, Isobel zu suchen, auch wenn Rose es noch
so lächerlich fand. Sie zog sich hastig an und klopfte auf dem Weg nach unten
an Roses Zimmertür, doch sie bekam keine Antwort. Dabei hätte sie ihrer Tochter
so gern gesagt, wie lieb sie sie hatte und dass sie sich dank Little Scatwell
keinerlei Gedanken um die Zukunft machen solle.
Lili eilte die Treppe hinunter. Als sie unter dem Ãlgemälde
angelangt war und im Vorbeieilen in das grimmige Gesicht von Angus Munroy
blickte, nahm sie sich fest vor, ihn demnächst abzuhängen und auf den Dachboden
zu verbannen.
Vorsichtshalber warf sie auch noch einen Blick in den Salon, doch
von Rose fehlte jede Spur. Zu guter Letzt sah sie in der Küche nach. Sie
wusste, wie ihre Tochter es liebte, bei dem Hausmädchen und der Köchin am
groÃen Tisch zu sitzen und die beiden zu unterhalten.
Sie hatte die Tür noch nicht ganz geöffnet, als sie Roses Stimme
hörte, wie sie versuchte, Isobel zu imitieren. Sie machte das nicht schlecht,
aber es missfiel Lili trotzdem. Deshalb ging sie in strengem Ton dazwischen.
»Rose, bitte, es ist nicht nett von dir, dich auf Isobels Kosten lustig zu
machen.«
Rose unterbrach sich mitten im Satz, während Bonnie und Fiona das
Lachen im Halse steckenblieb.
»Kommst du bitte einmal kurz? Ich muss dich sprechen«, bat Lili.
»Bin gleich wieder da«, versprach Rose und zwinkerte der Köchin und
dem Hausmädchen zu.
Kaum hatte Lili die Küchentür hinter sich zugezogen, fragte Rose in
vorwurfsvollem Ton: »Was habe ich deiner Tochter â¦Â« Sie legte eine Pause ein,
bevor sie fortfuhr: »â¦Â deiner geliebten Tochter Isobel schon wieder getan?«
Lili stieà einen tiefen Seufzer aus.
»Ich wollte gar nicht über Isobel mit dir reden. Ich, ich wollte dir
sagen, dass ich dich sehr lieb â¦Â«
»Und ich wollte dir nur sagen: Ich hasse sie!«, unterbrach Rose sie
unwirsch.
21
L ili
Weitere Kostenlose Bücher