Die Rose der Highlands
entfernt, ihn beauftragt, in dem entferntesten Quadranten auf Patrouille zu reiten. Warum? Weil der Major seine Rettung des schottischen Dorfes missbilligte oder weil Landers ihn als eine Bedrohung einschätzte?
Hatte der Colonel auch etwas gegen
ihn?
Hatte er etwas getan, wofür er diese niedere Aufgabe verdiente? Er schlüpfte ins Vorratslager und zog sein Tagebuch heraus.
Nachdem er es durchgeblättert hatte, entschied er, dass die Zeit gekommen war, Major Sedgewick die Entdeckungen zukommen zu lassen, die er gesammelt hatte.
Bei Anbruch der Dämmerung erhob sich Leitis von der Bank und streckte sich. Sie liebte die Arbeit am Webstuhl, doch im Moment hatte sie Wichtigeres vor. Die Freude darauf, Ian zu sehen, machte sie lächeln.
Wo mochte er sich die ganze Zeit aufhalten? Ihr Blick wanderte zum Fort. Er hatte geleugnet, zur Besatzung zu gehören. Wo verbrachte er seine Tage?
Sie ging zur Spiegelkommode, kämmte ihr Haar und band es zusammen. Dann strich sie ihren Rock glatt, putzte ihre Schuhe und wusch Hände und Gesicht.
Ihre Mutter hatte eine Flasche eines köstlichen Dufts besessen, ein Geschenk der Gräfin von Sherbourne. Das Durftwasser kam aus Frankreich, und sie hatte es nur bei ganz besonderen Gelegenheiten getragen. Leitis hätte heute Abend etwas davon genommen, wenn die Flasche nicht im Feuer zerplatzt wäre. Sie hätte sich auch gern einen Blütenkranz für ihr Haar gewunden, aber sie bezweifelte, dass Donald ihr gestatten würde, ihr Gefängnis zu verlassen.
Als sie das Priorat betrat, fragte sie sich, was sie zu Ian sagen sollte. Ihre Hingabe in der vergangenen Nacht erschien ihr nicht als Grund, sich zu schämen, denn es war Liebe gewesen, was sie dazu getrieben hatte.
Liebe sollte nicht Scham bereiten, sondern Vergnügen. Sie berührte ihre Lippen und ließ die Hände dann über ihr Kinn und ihre Kehle zu ihren Brüsten gleiten. Sie fühlten sich schwer an und zart. Wenn er sie berührte, war es, als verzauberte er ihren ganzen Körper.
Sie wollte ihm sagen, wie dankbar sie ihm war. Weil er ihren Kummer darüber verstand, Gilmuir verlassen zu müssen. Weil er ihr in einer Zeit, da beides rar geworden war, die Erinnerung an Lachen und Freude schenkte. Weil er denen half, die Hilfe brauchten, und weil er freundlich zu einer alten Frau gewesen war. Und weil Ungerechtigkeit und Grausamkeit ihn erzürnten.
Was würde nun geschehen? Die Frage hatte sie noch nicht zu stellen gewagt. Würde er mit ihnen kommen oder hierbleiben? Würde er Gilmuir mit ihr verlassen oder aus ihrem Leben verschwinden, wie er es schon einmal getan hatte, damals, als sie Kinder waren?
Die Antwort würde ihr entweder tiefe Betrübnis oder Seligkeit bescheren. Vielleicht war es besser, sie nicht zu kennen, einfach hinzunehmen, was sie in diesem letzten Jahr gelernt hatte: Niemand konnte sich darauf verlassen, dass ihm eine Zukunft beschieden war. Alles, was sie hatten, war das Heute, und das Heute musste genügen.
Vor langer Zeit hatte sie hier einmal gelauscht, wofür sie sich später schämte. Er und seine Mutter hatten sich unterhalten. Er vertraute sich ihr an, und sie antwortete ihm mit einer Weisheit, die Leitis nie vergaß.
»Es ist gut, jemanden zu haben, der besser ist als man selbst«, hatte seine Mutter gesagt.
»Aber ich möchte auch in irgendetwas besser sein«, klagte er. »Fergus kann besser fischen als ich, James kann besser klettern, und Leitis kann
alles
besser.«
»Du wirst nur besser, wenn du dich herausgefordert siehst.«
»Stets und ständig?«, fragte er missmutig, und die Gräfin hatte hellauf gelacht. Ihr Lachen perlte durch den Raum wie Wassertropfen über Felsen.
Sie umfasste das Gesicht ihres Sohnes, beugte sich über ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. »Du musst einfach dein Bestes tun. Nur darauf kommt es an.«
Eine Weile später fischte er besser als Fergus und kletterte ebenso gut wie James. Aber sie, Leitis, besiegte ihn noch immer bei jedem Wettlauf, erinnerte sie sich lächelnd.
Ihr Herz hüpfte in ihrer Brust, als sie einen Schatten sah. Ian lehnte an einer der Säulen, auf denen die Bögen ruhten. Zu ihrer Enttäuschung trug er wieder die Maske, aber sie sagte nichts, denn sie wusste, dass er sie ablegen würde, wenn er die Zeit für gekommen hielte.
»Es sieht nach schlechtem Wetter aus«, meinte er.
Kürzlich war ihnen ein Gewitter erspart geblieben, doch diesmal hatten sie nicht so viel Glück. Schon bildeten Regenschleier einen Vorhang zwischen Tal und
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