Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
auf den Spielverlauf konzentrieren zu wollen.
Beim Baigha gewinnt der Reiter, der den größten Teil des Schafs zu Scheich Majiid zurückbringen kann. Sechzig Reiter galoppierten auf ihren Pferden durch die Wüste, jeder einzelne wild entschlossen, seinem Scheich die Trophäe zu übergeben. Khardans schnelles Pferd und seine überragende Geschicklichkeit als Reiter verschafften ihm bei nahezu jedem Spiel den Vorteil, das Schaf als erster zu erreichen. Auch diesmal verhielt es sich nicht anders, aber das bedeutete noch lange nicht, daß er bereits gewonnen hatte. Khardan sprang vom Pferd, ergriff den blutigen Schafskörper und wollte ihn gerade auf seinen Sattel werfen, als ihn zehn Männer einholten.
Neun der Reiter sprangen aus den Sätteln, stürzten sich auf Khardan und versuchten, ihm die Trophäe abzujagen, die dabei in Stücke gerissen wurde. Als einziger war Khardans jüngerer Bruder Achmed auf seinem keilenden Pferd sitzen geblieben. Er neigte sich gefährlich weit aus dem Sattel, um einen Teil des Schafes zu erbeuten und dann davonzupreschen, bevor die anderen wieder auf den Pferden saßen. Inzwischen waren auch die letzten Reiter eingetroffen und warfen sich augenblicklich ins Getümmel. Die Zuschauer feuerten sie von allen Seiten wie wild an, obwohl nichts weiter als eine riesige Staubwolke zu sehen war, durch die man gelegentlich einen flüchtigen Blick auf ein steigendes Pferd oder einen stürzenden Reiter erhaschen konnte.
Jeder kämpfte gegen jeden, um seinem Kameraden ein Stück des Schafs zu entreißen. Blutbespritzte Reiter stürzten herab, kämpften sich verbissen wieder hoch und wurden erneut aus den Sätteln gerissen. Pferde wieherten aufgeregt, und Hufe wirbelten durch die Luft. Einige der Tiere gerieten ins Straucheln und fielen zu Boden, doch glücklicherweise waren sie darin so geübt, daß sie sofort wieder auf die Beine kamen. Schließlich erbeutete Achmed einen Hinterlauf des Schafs, gab seinem Pferd die Sporen und jagte auf den Scheich zu, der ihn anfeuerte.
Sofort verließen ein paar Männer die immer noch um die Reste des Schafs kämpfende Gruppe, sprangen hastig auf die Pferde und setzten ihm nach – mit Khardan an der Spitze. Als er seinen Bruder schließlich eingeholt hatte, sprang der Kalif in vollem Galopp auf Achmed und riß ihn samt Pferd und Schaf in den Sand. Den drei nachstürmenden Reitern gelang nicht mehr, ihre durchgehenden Pferde rechtzeitig zu zügeln, so sprangen sie im letzten Augenblick über die am Boden ringenden Körper hinweg. Die Spahis rissen ihre Rösser herum, galoppierten zurück und warfen sich auf die Kämpfer.
Der Scheich mußte mehrmals aus dem Weg reiten, um sich in Sicherheit zu bringen. Mit seinem donnernden Gebrüll, seinen Hochrufen und seinem Gelächter heizte er den Ehrgeiz der Kampfhähne weiter an. Nach Ablauf einer Stunde waren Männer wie Pferde dem Zusammenbruch nahe. Majiid befahl Sond, das Zeichen zum Aufhören zu geben. Ein roter Feuerball zerbarst mit einem ohrenbetäubenden Knall direkt über den Köpfen der Wettstreiter. Schließlich taumelten etwa zwanzig Männer mit blauen Flecken zerschunden, blutüberströmt (das meiste stammte zweifelsohne vom Schaf) und dennoch lachend auf ihren Scheich zu. Dabei hielten sie ihre blutigen Trophäen fest in den Händen.
Auf einen Wink von Majiid hin ritt ein Aksakal, ein Stammesältester, mit einer einfachen Waage in der Hand vor. Auf seinem Pferd wog er die blutigen, sandbedeckten Stücke der Reihe nach sorgfältig ab. Zum Abschluß gab er feierlich bekannt, daß Achmed das Spiel und die zehn Silbertuman für sich entschieden hatte.
Khardan nahm seinen siebzehnjährigen Halbbruder, der immer noch schwer um Atem rang, in die starken Arme und preßte ihn herzlich an sich. Er riet ihm freundschaftlich, das Geld für die jährliche Reise zur Stadt Kich aufzuheben, in der sie ihre Pferde zu verkaufen pflegten.
Achmed wandte sich dem Scheich zu und hoffte, mit der ersehnten Anerkennung seines Vaters belohnt zu werden, die ihm teurer war als alles Silber. Aber Majiid war wegen der eingetroffenen Botschaft des Gottes über die Zukunft seines ältesten Sohnes viel zu aufgeregt, um seinem jüngeren Sohn auch nur die kleinste Aufmerksamkeit schenken zu können. Der Scheich schob Achmed mit dem Ellenbogen kurzerhand zur Seite und winkte Khardan zu sich.
Achmed trat einen Schritt zurück und machte, wie es sich geziemte, seinem älteren Bruder Platz. Sollte ihm diese barsche Zurückweisung nahe
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