Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
gegangen sein, so war es ihm jedenfalls nicht anzumerken. Jeden anderen hätte diese Bevorzugung die Seele in unversöhnlicher Eifersucht entflammt. Doch in Achmeds Herzen pochte nur Bewunderung und Liebe für den älteren Bruder, der ihm mehr Vater als Bruder gewesen war.
Khardan trat dem betrübten Dschinn mit blutverschmierter Brust und befleckten Armen entgegen. Auf seinen Lippen lag ein wohlwollendes Lächeln, so daß seine schneeweißen Zähne im schwarzen Bart aufblitzten.
»Nun, mein Bester«, lachte der Kalif Sond an. »Ich habe zwar eine Baigha verloren, aber mit Sicherheit mehr Glück in der Liebe. Nenne mir den Namen der Blume, die der heilige Akhran für mich gepflückt hat.«
Sond mußte schwer schlucken. Aus dem Augenwinkel sah er Pukha, der ihn mit einem geringschätzigen Blick bedachte und dabei die Geste eines Mannes andeutete, der die Tülle einer Öllampe mit einem Korken verschloß und verächtlich fortwarf. Dem Dschinn stieg die Zornesröte ins Gesicht, als er sich Scheich Majiid und dessen Sohn zuwandte.
»Es ist der Wille von Hazrat Akhran«, verkündete er mit verschüchterter Stimme, während er den Blick auf die Füße seines Gebieters gesenkt hielt, »daß Khardan, der Kalif seines Volkes, Zohra, die Tochter von Jaafar al Widjar, zur Frau nehmen soll. Die Hochzeit soll noch vor dem nächsten Vollmond auf dem Tel bei der Rose des Propheten stattfinden.« Der Dschinn breitete hilflos die Arme aus. »Das ist von heute an gerechnet in einem Monat. So lauten die Worte, die Hazrat Akhran seinem Volk verkünden läßt.«
Sond schaute weiter zu Boden, denn er wagte nicht, den Kopf zu heben. Die Stille legte sich immer enger um den Dschinn und ließ ihn ahnen, wie der Scheich, sein Gebieter, die Botschaft aufgenommen hatte. Nicht der leiseste Atemhauch war zu hören – nur Schweigen, das Sond in den Ohren dröhnte. Hätte irgendein Pferd in diesem Augenblick geschnaubt, so würde sein Herr ihm blitzschnell die Hand auf die Nüstern legen, um das Schnauben zu ersticken.
Das bedrohliche Schweigen dauerte endlos. Sond wagte schließlich, einen verstohlenen Blick auf seinen Gebieter zu werfen, denn er fürchtete, der Scheich könnte einen Anfall erleiden. Das war nicht unwahrscheinlich – alle Anzeichen sprachen dafür. Das Gesicht des Scheichs lief purpurrot an, die Augen traten vor Zorn aus den Höhlen, und der Schnurrbart sträubte sich vor Wut in alle Richtungen. Noch nie hatte Sond seinen Gebieter so wütend gesehen, und für einen Augenblick schien ihm der Grund der Kurdinischen See dagegen wie die schönste Oase – voller Ruhe und Frieden – zu sein.
Doch es war Khardan, der das Wort ergriff und endlich das Schweigen brach.
»Der Wille von Hazrat Akhran«, stammelte er benommen und nahm einen tiefen, bebenden Atemzug. »Der Wille von Hazrat Akhran ist, daß ich das unreine Blut der Hrana mit dem edlen Blut der Akar vermischen soll!« Das Gesicht des jungen Mannes war unter dem schwarzen Bart bleich geworden, während die dunklen Augen vor Zorn heller funkelten als die Sonne auf glattpoliertem Stahl. »Nimm das als Antwort auf den Willen von Hazrat Akhran!«
Khardan riß den Kopf des Schafes aus dem Haufen mit Innereien, Rippen, Beinen und Keulen und schleuderte ihn dem Dschinn vor die Füße. Rasend vor Wut zog er sein Krummschwert und trieb die Klinge durch den Tierschädel.
»Sond, das ist meine Antwort. Überbringe sie deinem Wandernden Gott, falls du Ihn überhaupt findest!«
Khardan spuckte auf den Schafsschädel. Er streckte den Arm aus und legte seine blutige Hand auf die Schulter eines nahestehenden Mannes, der unter der Berührung zusammenzuckte. »Abdullah? Hast du eine Tochter?«
»Ja, mein Kalif, viele«, seufzte der Mann erleichtert auf.
»Ich werde die älteste heiraten. Vater, treffe du die nötigen Vorkehrungen.« Khardan machte auf der Stelle kehrt, ohne den Dschinn eines weiteren Blicks zu würdigen, und schritt zu seinem Zelt, dabei wischte er sich das Blut des Schafs von den Händen.
In dieser Nacht wurde die Pagrah-Wüste vom schlimmsten Sturm heimgesucht, den der älteste Aksakal je erlebt hatte.
3
An jenem heißen Tag, der für den späten Winter in der Wüste äußerst ungewöhnlich war, brannte die Sonne unbarmherzig. Es schmerzte in der Brust, die sengende Luft einzuatmen. Die Pferde waren unruhig und ängstlich, sie bissen sich untereinander oder schnappten nach ihren Aufpassern. Andere drängten sich in den spärlichen Schatten der großen
Weitere Kostenlose Bücher