Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
Stadt ausbreitet, nehmen wir es auf uns, das Gift zu beseitigen, bevor es euch noch weiteren Schaden zufügen kann.«
Bei diesen Worten schrie eins der jungen Mädchen auf – ein markerschütternder Schrei, den einer der Wachsoldaten sofort abschnitt, indem er dem Mädchen die Hand auf den Mund legte. Achmeds Kehle trocknete aus, das Blut pochte ihm in den Ohren, so daß er die Worte des Emirs nur noch wie durch eine Kapuze aus dicker Schafwolle vernahm.
»Es soll heute nacht geschehen, vor euer aller Augen, damit ihr Quars Barmherzigkeit und seines Urteils angesichtig werdet. Er ist kein Gott der Rache. Ihr Tod soll ein schneller sein…« Der Blick des Emirs schweifte zu dem Mann in Schwarz hinüber. »… obwohl manche ein solches Schicksal nicht verdienen mögen. Die Leichname dürfen von den Familien übernommen und in Übereinstimmung mit den Beerdigungsriten Quars beigesetzt werden. Imam, hast du dem noch etwas hinzuzufügen?«
Der Priester schritt die Treppe hinunter, um auf der untersten Stufe vor den Gefangenen stehenzubleiben. »Möchte hier jemand jetzt zu Quar übertreten?«
»Ich!« rief ein Senator. Er stürzte sich vor dem Imam auf die Knie und begann, den Saum seines Gewands zu küssen. »Ich lege mein Leben und all meinen Reichtum in die Hand des Gotts!«
Qannadis Mund verzerrte sich. Er sah den erbärmlichen Mann mit Abscheu an und wies seinen Wachhauptmann mit einer Geste an, vorzutreten. Der Hauptmann tat wie ihm geheißen und zog dabei lautlos sein Schwert aus der Scheide.
Feisal beugte sich vor, legte dem Senator die Hände auf den erkahlenden Schädel. »Quar erhört dein Gebet, mein Sohn, und gewährt dir Frieden.«
Der Senator sah mit strahlender Miene zu ihm auf.
»Ruhm sei Quar!« rief er, ein Ruf, der jedoch jäh in einem entsetzten Aufschrei endete. Das Schwert des Hauptmanns stach ihm bis ins Herz. Der Senator sah den Imam erstaunt an, dann stürzte er tot auf den Boden.
»Möge Quar dich in seinem Segen empfangen«, sagte der Imam mit leiser Stimme über dem Leichnam.
»Weitermachen!« befahl Qannadi barsch.
Die Wachen zückten ihre Schwerter. Der rundliche Priester ging in die Knie und betete mit einer festen Stimme zu Uevin, der erst der Tod ein Ende setzte. Der Statthalter verließ die Welt in verbittertem Schweigen, er warf noch einen letzten Blick auf jene, die ihn verraten hatten. Auch die Priesterin begegnete ihrem Ende in Würde. Doch als eine der Jungfrauen die Priesterin leblos zu Boden gehen sah, während das blutige Schwert zurückgezogen wurde, riß sie sich aus dem Griff ihres Bewachers und rannte in panischer Angst auf die Stufen zu.
»Gnade!« schrie sie. »Gnade!« Fallend, sah sie Achmed direkt ins Gesicht und streckte ihm flehend die Hand entgegen. »Du bist doch jung, genau wie ich! Laß sie mich nicht umbringen, Gebieter!« flehte sie ihn an. »Bitte! Laß sie es nicht tun!«
Blondes Lockenhaar um ein hübsches, entsetztes Gesicht; Furcht, die ihre Augen wirr und starr machte. Achmed konnte weder zurückweichen noch den Blick abwenden, doch er musterte das Mädchen mitleidig und schmerzerfüllt.
Als das Mädchen hinter sich den Schritt des nahenden Postens vernahm, machte sie den herzzerreißenden Versuch, mit der nach Achmed ausgestreckten Hand die Treppe hinaufzukriechen.
Achmed trat einen Schritt vor, als er plötzlich spürte, wie sich Qannadis Hand auf seinen Unterarm legte.
Achmed blieb stehen. Er sah, wie die hell aufleuchtende Hoffnung in den Augen des Mädchens der dunklen Verzweiflung wich. Der Soldat schlug schnell zu, kürzte dem Mädchen den letzten Augenblick des Grauens gnädigerweise ab. Der Leichnam sackte zusammen, das Blut strömte die Treppe hinab, die nach Achmed greifende Hand erschlaffte.
Die Fackeln verwischten Achmeds Sicht. Schwindelnd und in einem Anfall von Übelkeit wollte er sich von dem schaurigen Anblick abwenden.
»Mut!« sagte der Emir leise.
Achmed hob die glasigen Augen. »Soll das etwa Mut sein, die Unschuldigen abzuschlachten?« fragte er heiser.
»Mut bedeutet, deine Pflicht als Soldat zu tun«, antwortete Qannadi mit eindringlichem, kaum hörbarem Flüstern, ohne Achmed anzublicken. Statt dessen sah er weiterhin ungerührt geradeaus. »Nicht nur dir selbst, sondern auch ihnen gegenüber.« Er ließ seinen Blick kurz über die Menge gleiten. »Besser diese wenigen als die ganze Stadt!«
Achmed sah ihn verständnislos an. »Die Stadt?«
»Meda hat Glück gehabt«, erwiderte der Emir in ausdruckslosem Ton.
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