Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
Seltsam sind doch die Wege Suls.«
Der Wisch pflichtete dem von ganzem Herzen bei, sagte aber nichts, weil er es für das beste hielt, nicht zu offenbaren, daß er seinen Herren jemals in Zweifel gezogen hatte.
»Selbst meine Unsterblichen beginnen zu verschwinden! Und deinem Bericht zufolge werden sie also irgendwo gefangengehalten?«
»Das ist der Grund, weshalb der Schutzengel Asrial«, der Wisch sprach den Namen so vorsichtig aus, als drohte er ihn in die Zunge zu stechen, »ihren Schützling, den Dunklen Meister, verlassen hat. Einer der Fische, von denen ich in meinem Bericht sprach, hat sie zusammen mit den beiden Unsterblichen des Wandernden Gotts auf die Suche nach ihnen geschickt.«
»Ein Schutzengel des Promenthas, der seinen Schutzbefohlenen verläßt. Ich glaube, so etwas habe ich wirklich noch nie gehört.« Wenn Astafas Promenthas gewesen wäre – und nicht das böse Gegenstück dieses Gotts –, hätte er auch nicht aufgebrachter gewesen sein können. »Die natürliche Ordnung zerbricht!«
»Dennoch«, meinte der Wisch, »eröffnet es uns doch immerhin eine Zugriffsmöglichkeit.«
»Ja«, stimmte der Gott nachdenklich zu. »Aber ist es das wert, eine Seele zu gewinnen und dafür Tausende zu verlieren?«
Der Wisch schien dieser Ansicht zu sein – jedenfalls danach zu urteilen, wie seine Zunge hungrig über seine Lippen schnellte.
Das Gehirn des Gotts umsummte und umsurrte den Wisch von allen Seiten. Seine roten Augen huschten unruhig hierhin und dorthin. Er hob einmal den einen Fuß, dann den anderen, hüpfte in Erwartung irgendeines betäubenden Stoßes hin und her. Er war immer noch nicht richtig darauf vorbereitet, und als er schließlich doch kam, schlug der Wisch kopfüber auf den Boden.
»Es gibt eine Möglichkeit, wie wir beides bekommen können«, meinte Astafas. »Bist du sicher, daß du die Pläne des jungen Manns kennst?«
»Ich kann in seinen Geist hineinsehen.« Der Wisch hob den Kopf, spähte eilfertig in die Finsternis hinaus, seine roten Augen glühten wie heiße Kohlen. »Ich lese seine Gedanken.«
»Wenn er tut, was du voraussiehst, wirst du dabei mitmachen.«
»Das werde ich.« Der Wisch wirkte gequält. »Dann kann ich ihn also nicht sofort an Ort und Stelle für Euch einfangen?«
»Nein. Ich brauche erst noch weitere Nachrichten. Ich habe nämlich eine Idee, die diese Fische betrifft, die er mit sich herumträgt. Halte den jungen Mann bei Laune. Er wird schon nicht entkommen«, fügte Astafas tröstend hinzu. »Er wird sich lediglich immer stärker in unserem Netz verheddern.«
»Jawohl, Dunkler Meister.« Der Wisch klang nicht sonderlich begeistert. Er stellte sich wieder auf seine Paarhuferfüße und fragte niedergeschlagen, ob er entlassen sei.
»Ja. Ach so, eine Sache noch…«
Die Finsternis begann zu verschwinden, der Wisch hatte das unbehagliche Gefühl zu fallen.
»Dunkler Meister?« fragte er.
»Tu, was du kannst, um ihn zu beschützen.«
»Ihn beschützen?« jaulte der Wisch auf.
»Nur vorübergehend«, sagte die verblassende Finsternis.
2
Die Ghule fuhren ihr sturmgetriebenes Schiff durch die schlammigen Wasser der Kurdinischen See. Mathew wußte nicht, ob es die Macht Suls war, die das Gefährt über Wasser hielt, oder die Macht des bösen Gotts, in dessen Dienst die Ghule segelten. Heftige Windstöße zerrissen die Segel zu schwarzen Fetzen, die wie die Streitbanner eines alptraumhaften Heers von den Masten flatterten. Die Takelage zerriß und glitt aufs Deck herab, sich windend und zuckend wie die Schlangen. Niemand außer den Ghulen und dem Schwarzen Paladin, Auda ibn Jad, konnte auf dem sich ständig schräglegenden und von Brechern angegriffenen Deck aufrecht stehen. Kiber und seine Männer kauerten sich am Heck zusammen, nutzten jeden noch so mageren Schutz vor Wind und Nässe aus. Die Gesichter der Gume waren bleich und angespannt; viele von ihnen waren seekrank und genossen diese Reise offensichtlich ebensowenig wie ihre Gefangenen.
Auda ibn Jad stand neben dem Steuerrad und blickte konzentriert geradeaus, als könnte er mit seinem Blick die Sturmwolken durchdringen und sein Ziel ausmachen. Mathew hatte es schon vor langem aufgegeben, sich Sorgen darüber zu machen, wo dieses Ziel liegen oder was es für ihn bereithalten mochte.
In seiner Übelkeit schossen ihm wahnwitzige Gedanken durch das von Entsetzen betäubte Gehirn. Die Ghule begannen ihn zu faszinieren; er konnte den Blick nicht von den Männern reißen, die keine Menschen
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