Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
mußte. Einmal mehr staunte er über die merkwürdige Gespaltenheit dieses Volks: die Liebe und Wärme, die den Familienmitgliedern und Freunden entgegengebracht wurde – die herzlose Grausamkeit gegenüber dem Rest der Welt.
Die Schwarze Zauberin erschien plötzlich neben ihm, materialisierte sich aus der eisigen Luft. Als er daran dachte, was zwischen ihnen in seinem Raum vorgefallen war, ließ Mathew heftig errötend den Kopf hängen. Er wußte, daß er in Ohnmacht gefallen war, daß jemand ihn angekleidet und gewärmt hatte wie ein Kind. Die Schwarze Zauberin ließ sich weder durch Worte noch Blicke anmerken, daß sie um seine Verwirrung wußte. Sie stand neben ihm und sah ruhig und stolz zu, wie ihr Volk seine Plätze im Kreis einnahm.
»Mit der Zeit wirst auch du deinen Platz bei uns im Heiligen Kreis einnehmen können«, sagte die Zauberin. »Aber jetzt darfst du das noch nicht. Warte hier und rühre dich nicht, bis du nach vorn gerufen wirst.«
»Wie geht es Khardan?« fragte Mathew leise.
Zur Antwort wandte die Schwarze Zauberin leicht den Kopf. Mathew folgte ihrem Blick und sah Kiber und einen weiteren Gum, die Khardan soeben in den Raum führten. Der Kalif war bleich und offensichtlich überrascht von dem, was er da sah. Aber er ging festen Schritts, und in seinem Gesicht war keine Spur von Schmerz mehr zu erkennen.
»Und Zohra?« fuhr Mathew vor. Er schluckte und wunderte sich über seinen eigen Mut.
»Zohra?« Die Zauberin achtete kaum auf seine Worte. Ihre Augen blieben auf die Versammlung geheftet.
»Die Frau, die bei uns war?« setzte Mathew nach.
Die Zauberin musterte ihn und schüttelte den Kopf, ihre Augen umwölkten sich. »Beharre nicht auf irgendeinem Interesse an ihr, mein Sohn. Es gibt hier viele andere Frauen, die ebenso schön sind wie diese wilde Wüstenblume. Diese eine ist nicht für dich bestimmt. Sie wurde von einem anderen auserwählt.«
Die Stimme der Schwarzen Zauberin klang ehrfürchtig und gedämpft. Da er davon ausging, daß sie Auda ibn Jad meinte, war Mathew überrascht, als er sah, wie sie den Schwarzen Paladin mit leichtem Stirnrunzeln musterte. »Nein, auch für ihn ist sie nicht bestimmt. Ich hoffe, er nimmt es nicht übel.« Sie schüttelte den Kopf, um den jungen Hexer an weiteren Fragen zu hindern, dann gewährte die Zauberin Mathew ein beruhigendes Lächeln, verließ ihn und schritt vor, um neben dem Gebieter der Schwarzen Paladine ihren Platz im Kreis einzunehmen.
Ein feierliches Schweigen legte sich über die Versammlung. Alle verneigten den Kopf und verschränkten die Hände. Der Gebieter trat einen Schritt vor.
»Zhakrin, Gott des Bösen, wir versammeln uns heute nacht in deinem Namen, um dir die Ehre zu erweisen. Wir danken dir für die sichere Rückkehr unseres Bruders, Auda ibn Jad, und für die Erfüllung all dessen, wofür wir so viele Jahre gearbeitet haben.«
»Wir danken dir, Zhakrin«, ertönte die Antwort im Kreis.
»Und jetzt werden wir, der alten Überlieferung folgend, den Gefallenen die Ehre erweisen.«
Der Gebieter der Schwarzen Paladine wandte sich an seine Gemahlin, die an den mit schwarzem Samt bedeckten Tisch trat. Sie entfernte das Tuch und hob einen goldenen Kelch empor. Sein Fuß stellte den Körper einer gewundenen Schlange dar, die in ihren Schlingen einen Kelch trug. Die Schwarze Zauberin hielt die Hand über das Gefäß, flüsterte geheime Worte und besprengte es mit einem Pulver aus einem goldenen Ring, den sie am Finger trug. Sie betrat den Kreis, schritt langsam über den schwarzen Marmorboden und reichte den Kelch an Auda ibn Jad. Er nahm ihn ehrfürchtig entgegen und neigte den Kopf. Dann wandte Auda sich an den leeren Platz an seiner Seite, um den Kelch hochzuheben.
»Auf unseren Bruder Catalus.«
»Auf Catalus«, ertönte die Antwort.
Ibn Jad hob den Kelch an seine Lippen, nippte am Inhalt, um dann feierlich durch den Kreis zu schreiten und ihn einer schwarzgekleideten Frau darzubieten. Sie sprach in einer Sprache, die Mathew nicht verstand, doch neben ihr war der Kreis leer. Der Kelch ging von Hand zu Hand. Aus den Worten, die Mathew verstand, schloß er, daß viele jener, derer hier gedacht wurde, in der Stadt Meda den Tod gefunden hatten. Mehrere Schwarze Paladine weinten ganz offen. Ein Mann legte einer Frau den Arm um die Schultern; sie tranken gemeinsam aus dem Kelch, und Mathew begriff, daß unter jenen, die sich im Tempel selbst getötet hatten, damit ihre Seelen nicht dem Quar geopfert wurden, ein geliebter
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