Die Rose des Propheten 5 - Das Buch der Nomaden
verließ Zohra das Krankenzimmer und bahnte sich durch das Labyrinth der Gänge den Weg zu einer Tür, die nach außen führte.
Kamele und Männer schliefen im kühlen Schatten eines nahegelegenen Gebäudes. Zohra blieb stehen, als sie sah, daß ibn Jad sich neben Khardan auf einer Decke niedergelassen hatte. Sie zögerte, weil sie sich davor fürchtete, sich dem Mann zu nähern. Sie blickte sich um, suchte nach etwas anderem, das ihrem Zweck dienen könnte, wußte aber, daß es vergeblich war. Ihr Blick fuhr wieder zu der Schärpe um Khardans Hüfte, zu dem Knauf, den sie in der Sonne funkeln sah.
Sie brauchte den Dolch.
»Seit wann hast du Angst vor einem Mann?« fragte sie sich verächtlich, und ohne darüber nachzudenken, daß einige Männer durchaus ihrer Furcht würdig gewesen wären, überquerte Zohra kühn und ruhig die sonnenüberflutete Straße.
Die Kamele hoben die Köpfe und musterten sie mit argwöhnischer Bösartigkeit. Glücklicherweise hatte sie es mit den Kamelen zu tun und nicht mit Khardans Pferd, das es niemals jemandem gestattet hätte, sich an seinen schlummernden Herren heranzuschleichen. Zohra zischte den Kamelen etwas zu, und die Tiere senkten die Köpfe. Khardan lag ausgebreitet auf dem Rücken; seine Atmung ging tief und regelmäßig, und nachdem Zohra ihn eine Weile beobachtet hatte, wußte sie, daß er den Schlaf der Erschöpfung schlief und nicht leicht zu wecken sein würde. Als sie neben ihm innehielt, warf sie einen verstohlenen Blick zu Auda hinüber. Die Augen des Mannes waren fest geschlossen; auch seine Atmung ging regelmäßig. Doch ob er schlief oder es nur vorgab, wußte Zohra nicht zu sagen.
Es spielte keine Rolle, sagte sie sich. Was immer sie tat, er würde sie daran nicht hindern. Er hatte ihr Zeit bis zum Sonnenuntergang gegeben, und sie begann ihn gut genug einzuschätzen, um zu wissen, daß er dieses Versprechen auch halten würde.
Vorsichtig beugte sie sich über Khardan und begann mit leiser, zarter Berührung damit, den Dolch aus seiner Schärpe zu ziehen. Er seufzte und bewegte sich, worauf sie sofort erstarrte. Dann fiel er wieder in tiefen Schlaf zurück.
Vorsichtig holte Zohra die Waffe hervor und umklammerte sie. Als sie sich anschickte, über die Straße zum Haus zurückzukehren, fiel ihr Blick auf ibn Jad. Der Dolch lag in ihrer Hand. Ein Stoß, und alles wäre vorbei. Kein Gott könnte sie jemals zu einem toten Mann locken. Sie starrte ihn an, wie er anscheinend tief und fest schlief. Ihre Finger klammerten sich heftig um den Griff des Messers.
Sie trat einen Schritt auf ihn zu, dann machte sie kehrt und huschte über die Straße, als wäre er aufgesprungen und würde sie verfolgen. Im Hauseingang blieb sie stehen, um wieder zu Atem zu kommen, sah sich um und bemerkte, daß keiner der Männer sich bewegt hatte.
Khardan erwachte mit einem Schreck; er meinte, daß irgend jemand sich an ihn heranschliche, um ihm die Kehle durchzuschneiden. Der Eindruck war so wirklich, daß er schon abwehrend die Hände emporriß, bevor er die Augen hatte ausrichten können, und erst als seine Hände ins Nichts griffen, erkannte er, daß es sich um einen Traum gehandelt hatte. Matt wollte er sich wieder hinlegen, als er unwillkürlich nach seiner Waffe griff.
Sie war nicht da.
Er brauchte nicht erst den nachwehenden Duft von Jasmin zu spüren, um darauf zu kommen. »Zohra!« murmelte er, setzte sich auf und sah sich nach allen Seiten um.
Mit einem raschen Blick überzeugte er sich davon, daß der Schwarze Paladin friedlich neben ihm schlief. Anscheinend hatte er seinen Plan ausgeführt. Mathew mußte tot sein, dachte Khardan mit einem schnellen, stechenden Schmerz, der ihm das Herz zerriß. Doch wenn dem so sein sollte, was tat Zohra dann mit dem Dolch ihres Mannes? Rache üben?
Er konnte sie fast vor sich sehen, wie sie in irgendeiner schattigen Nische stand, die Waffe in der Hand, um mit einem unvermuteten schnellen Stoß in den Rücken Genugtuung herzustellen.
Khardan mochte den bösen Paladin nicht. Ungeachtet der Tatsache, daß Auda ihr aller Leben gerettet hatte, als er sie von den anderen Paladinen des Zhakrin befreite, erinnerte sich Khardan lebhaft daran, daß dies derselbe Mann war, der ohne jedes Zögern eine Gruppe armseliger, angeketteter und gefesselter Sklaven den Ghulen zum Fraß vorgeworfen hatte. Solange er lebte, würde nichts den Anblick dieses gräßlichen Mahls aus seinem Gedächtnis löschen. Und Auda hatte im Namen Zhakrins noch weitere,
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