Die Rose von Asturien
Hause bleiben und diesen Reichtum mehren, anstatt für den König zu streiten. Er reitet nur mit, weil er Angst hat, ich würde jemand anderes damit betrauen, das Aufgebot seines Dorfes zu führen. Dann wäre er nur noch ein Bauer unter Bauern, aber er will als Edelmann gelten.«
Konrad widerstrebte es, etwas gegen den Anführer des Nachbardorfs vorzubringen, und er sprach daher aus, was ihm durch den Sinn schoss. »Man sagt, Herr Karl sei ein gewaltiger Kriegsheld!«
»Herr Karl ist ein mächtiger König, und seine Feinde zittern zu Recht vor ihm«, erklärte Hasso stolz.
Allmählich fand Konrad Gefallen daran, sich mit dem Gaugrafen zu unterhalten, und verlor die Aufregung. »Mein Vater hat mitgeholfen, die Sachsen zu besiegen und auch die Langobarden.«
Hasso lächelte. »Arnulf ist ein tapferer Mann und beim König gut angesehen. Letztes Jahr ist Herr Karl sogar an sein Krankenlager gekommen und hat die Mönche des Klosters Fritzlar aufgefordert, sich zuallererst um seine Wunden zu kümmern. Doch die Zeit deines Vaters als Krieger ist vorbei. Deine Aufgabe ist es nun, ihn zu ersetzen.«
Konrad nickte beklommen, denn die Stiefel seines Vaters erschienen ihm reichlich zu groß.
»Darf ich Euch etwas fragen, Herr?«, fragte er nach einer Weile.
»Gerne! Was möchtest du denn wissen?«
»Wo liegt eigentlich dieses Spanien? Soviel ich gehört habe, muss es sehr weit weg sein. Die Männer befürchten, sie würden heuer nicht mehr in die Heimat zurückkehren können. Warum also führt der König sein Heer dorthin?«
»Das müsstest du den König schon selber fragen! Aber an deiner Stelle würde ich das nicht tun. Herr Karl wird gute Gründe für diesen Feldzug haben. Es gibt wohl Hader unter den maurischen Heiden, und einige von ihnen möchten lieber unseren König als ihren Oberherrn sehen als den Emir von Córdoba. Ein Maure mit Namen Suleiman der Araber ist bis nach Paderborn geritten, um Herrn Karl seine Unterwerfung anzubieten. Da viele Christen in Spanien auf ihre Erlösung vom maurischen Joch warten, hat der König sich zu diesem Kriegszug entschlossen.«
Konrad hatte noch viele Fragen, und da sich der Graf über die Wissbegierde des jungen Mannes freute, beantwortete er sie gerne. Doch wie weit der Weg nach Spanien war, wusste auch er nicht zu sagen.
6.
D
ie Entwicklung im fernen Franken warf einen Schatten über Europa, der sogar den Himmel über Asturien verdunkelte. Dort war es Graf Roderichs Schwager Silo mittlerweile leid geworden, länger auf die Krone warten zu müssen. Daher hatte er König Aurelio kurzerhand gestürzt und sich selbst die Krone aufs Haupt gesetzt. Nicht lange danach war es Silo gelungen, einen Aufstand des Prinzen Agila, den man auch Mauregato nannte, niederzuschlagen. Da er selbst der Sohn einer Maurin war, vermochte er überdies mit dem Wali von Saragossa einen Waffenstillstand zu schließen, und für eine Weile herrschte Friede im asturischen Reich.
Das war den Reitern, die sich an diesem frühen Nachmittag Graf Roderichs Burg näherten, wohlbekannt. Dennoch waren sie auf der Hut. Die Männer trugen ihre Schilde am Arm und hielten die Speere stoßbereit. Sogar ihr Anführer, ein Mann ineinem maurischen Kettenhemd und mit einem goldglänzenden Helm mit Kronreif, führte die Zügel seines edlen Rappen mit der Linken und hielt die Rechte in der Nähe des Schwertknaufs. Er entspannte sich erst, als er Roderichs Festung erreicht hatte und sein Verwandter ihm mit Frau und Tochter bis zum Tor entgegenkam.
Roderich trat einen Schritt vor und beugte das Haupt. »Euer Majestät, seid mir willkommen!«
König Silo glitt aus dem Sattel, warf einem seiner Begleiter die Zügel zu und umarmte Roderich und Urraxa. Dann blieb er vor Ermengilda stehen. »Bei Gott, Mädchen, du bietest einen Anblick, der einem Mann das Herz aufgehen lässt. Sagt Ihr das nicht auch, Herr Gospert?« Mit dieser Frage wandte er sich an einen Mann mittleren Alters, der die Ehre genossen hatte, gleich hinter ihm zu reiten.
In seiner Stimme schwang ein Ton mit, der Ermengilda neugierig machte. Sie betrachtete den Fremden, der sich in seiner Kleidung deutlich von den asturischen Kriegern unterschied. Der Mann trug einen Schuppenpanzer und darunter eine kurze, blaue Tunika. Von seinen Schultern hing ein rund geschnittener Mantel in einer ungewöhnlichen Form herab, und seine plump wirkenden Stiefel hatten lange Schäfte, die unter dunklen Hosen aus festem Stoff verschwanden. Sein Schwert war länger als das
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