Die Rose von Asturien
Nacht zu dienen.
Der König bemerkte das Mienenspiel seines Schwagers und lächelte zufrieden. Obwohl diese Provinz an die ewig aufrührerischen Stammesgebiete der Waskonen grenzte, war Roderich sein bester Verbündeter im Reich und konnte ihm im Falle eines Krieges mehr als fünfhundert Bewaffnete zuführen. Silo hob den Becher, trank erst dem Franken und dann Roderich zu. »Du lebst gut, Mann meiner Schwester«, sagte er.
Gospert wollte hinter den Artigkeiten des Königs nicht zurückstehen. »Ihr besitzt wirklich ein schönes Land!« Er trank den Becher in einem Zug leer und sah zufrieden zu, wie das Gefäß auf Silos Wink sofort wieder gefüllt wurde.
»Unser Freund kommt mit einer Botschaft von König Karl«, erklärte dieser.
»So ist es!«, bestätigte der Franke. »Mein König wünscht ein Bündnis mit Asturien, um gegen die Mauren vorgehen zu können. Wie wir erfahren haben, steht die Herrschaft Abd ar-Rahmans auf tönernen Füßen. Es braucht nur einen harten Schlag, um Hispanien von den maurischen Horden zu befreien.«
»Genauso ist es!« Zu Roderichs Entsetzen stimmte der König Gospert zu und sorgte gleichzeitig dafür, dass der Becher des Franken keinen Augenblick leer blieb, während er selbst nur an dem Wein nippte.
Schon bald war Gospert so betrunken, dass er offen über die politische Situation aus fränkischer Sicht sprach und dabei so manches ausplauderte, das wohl geheim hätte bleiben sollen. Daher erfuhren Silo und Roderich, dass der Frankenkönig bereits in diesem Frühjahr mit einem gewaltigen Heer aufbrechenund die Pyrenäen überschreiten wollte. Karls Ziel war es, zunächst die großen Städte Barcelona, Saragossa, Tarazona und Pamplona dem Frankenreich einzugliedern, während Silo von Asturien über den Duero angreifen und sich Coimbra und Salamanca einverleiben sollte.
»Es wird ein großer Krieg!«, lallte Gospert, dem die schweren Weine Spaniens mehr und mehr zu schaffen machten.
Ein seltsames Lächeln spielte um Silos Lippen. »Gewiss!«
Roderich wusste, dass seinem Schwager viel an einem guten Einvernehmen mit den Mauren lag und er Tribute an den Wali von Saragossa und sogar den Emir von Córdoba sandte, die schamhaft als Geschenke bezeichnet wurden. Dazu gehörten Jahr für Jahr drei Dutzend wohlgewachsener Jungfrauen, die in maurischen Harems endeten. Vor diesem Hintergrund versuchte der Graf vergeblich, den König mit Zeichen davor zu warnen, sich zu sehr mit den Franken einzulassen. Doch Silo behandelte Karls Abgesandten weiterhin wie einen lieben Freund. Er umarmte ihn sogar im Überschwang der Gefühle, sah dann aber mit spöttischer Miene zu, wie Gospert langsam vom Stuhl rutschte und schnarchend unter dem Tisch liegen blieb.
»Ich glaube, unser fränkischer Gast ist müde. Lass ihm eine Kammer anweisen, in der er sich ausschlafen kann. Wir beiden sollten unterdessen spazieren gehen. Die kühle Nachtluft klärt die Gedanken.«
Als Roderich aufstand, spürte er, dass auch er dem Wein mehr zugesprochen hatte, als ihm guttat. Der Wunsch des Königs war jedoch Befehl. So hängte er sich bei Silo ein und verließ mit ihm die Halle. Draußen war es bereits tiefe Nacht, und einer der königlichen Leibwächter eilte mit einer Fackel herbei, um ihnen zu leuchten.
»Der Mann ist vertrauenswürdig«, erklärte Silo, als ihn der fragende Blick seines Schwagers traf.
Roderich hob hilflos die Hände. »Ich weiß nicht, Herr, was ich zu alldem sagen soll.«
»Am besten gar nichts, bis du weißt, was ich im Sinn habe.«
»Aber Ihr könnt doch kein Bündnis mit den Franken eingehen! Die Mauren würden sofort gegen uns rüsten, und dann würde alles noch schlimmer werden als unter Aurelio. Es gäbe Aufstände und feindliche Überfälle, und Eure eigenen Gefolgsleute würden sich gegen Euch erheben.«
»… und mich absetzen, so wie ich es mit Aurelio gemacht habe?« Silo lachte, doch es klang alles andere als fröhlich. »Ich kenne die Situation wahrscheinlich besser als du, Rodrigo. Ich muss weit mehr Gold an die Mauren zahlen, als ich mir leisten kann! Dennoch sitzt ihr Schwert drohend an meiner Kehle. Wenn ich nur das Geringste unternehme, das dem Emir von Córdoba missfällt, wird es mich mein Königreich kosten. Ohne Abd ar-Rahmans Einflussnahme hätte ich die Sache mit Agila längst in meinem Sinne gelöst. Der Emir hält jedoch seine Hand über den Halbbruder meines Weibes und zwingt mich zuzusehen, wie er sich in Galizien an der maurischen Grenze festsetzt und mir den
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