Die Rose von Byzanz
in ihrem Becher schimmerte rubinrot.
Wie Blut.
„Tatsächlich wäre es wohl eine Überlegung wert gewesen, unseren Vater aus dem Weg zu räumen, wenngleich das meiner Meinung nach noch ein paar Jahre Zeit gehabt hätte. Und du musst zugeben: Der Mörder war ein Stümper.“
„Hör auf!“
Sie wollte sich die Hände auf die Ohren drücken, um nicht länger seinen Schmähungen zuzuhören. Sie wusste, was jetzt kam. Sie fürchtete seine nächsten Worte.
„Andererseits hat er’s verdient, findest du nicht? Er hat unsere Mutter auf dem Gewissen.“
Sie musste ihn zum Schweigen bringen. Egal wie.
„Einmal hat er ihr gedroht, sie umzubringen, aber das war nichts gegen den Tod, den sie dann seinetwegen erlitt. Weißt du noch, wie sie sich in den letzten Wochen gequält hat? Wie sie durch die Gänge schlich, sich kaum auf den Beinen hielt, weil das Kind sie von innen zerriss, das er ihr entgegen der Ratschläge ihrer Ärzte gemacht hat? Weißt du noch, wie …“
Sie beugte sich vor. Ihre Lippen verschlossen seinen Mund. Er schmeckte nach Wein und etwas Bitterem, das sie nicht benennen konnte. Sie schloss die Augen. Ihre Zunge umschmeichelte seine, sie tanzten einen Reigen, an den sie sich plötzlich wieder erinnerte.
Der Becher glitt ihr aus der Hand und schlug mit lautem Klingen auf den Mosaikboden.
„Andronikos“, flüsterte sie an seinem Mund.
Jetzt war er still.
Er hat sie nicht umgebracht. Sie liebten einander, und das Verbot der Ärzte haben sie lange Zeit beachtet. Aber jede Leidenschaft bricht sich irgendwann Bahn. Irgendwann konnten sie sich nicht länger darauf beschränken, einander nachts in den Armen zu liegen. Es ist wie mit uns, Andronikos. Irgendwann konnten sie sich nicht mehr in Verzicht üben.
„Wäre es nicht schön, wenn wir ein Kind hätten?“, murmelte er.
Sie erstarrte.
Hätte er nicht einfach den Mund halten können? Warum tut er das?
Sie löste sich von ihm, drehte sich weg und krümmte sich zusammen wie ein Kind im Mutterleib. Sie spürte Andronikos hinter sich, hörte das leise Klappern, als er seinen Weinbecher beiseitestellte. Er kam zu ihr, schmiegte sich an sie. Sein Körper barg ihren, umgab ihn ganz. Tröstend. Geborgenheit schenkend.
Und im nächsten Moment schlägst du mir wieder eine Gemeinheit ins Gesicht, dass ich schreien möchte.
Er zog die Nadeln aus ihrem Haar. Sie spürte, wie ihre dunklen Strähnen niedersanken und sich um ihren Nacken bauschten. Es kitzelte.
„Warum hast du so große Angst, Irene?“
Weil wir es nicht dürfen.
„Ich könnte den Kaiserbruder um die Erlaubnis bitten. Er würde es uns gestatten. Wir könnten sogar heiraten, es ist alles möglich, wenn man nur genug Macht hat.“
Stumm schüttelte sie den Kopf.
Seine Stimme wurde ein lockendes Flüstern. „Wir können es auch für uns behalten. Unser kleines, süßes Geheimnis, das wir niemandem verraten. Unseren Dienern lassen wir die Zungen herausschneiden, damit sie uns nicht verraten können. Die Sommer verbringen wir zusammen hier, weit weg vom Hof mit all seinen schmutzigen Intrigen und den dreckigen Gerüchten. Weit weg von all jenen, die uns das Glück nicht gönnen, das wir beieinander finden. Und wenn du eines Tages ein Kind unter dem Herzen trägst …“
Seine Hand legte sich auf ihren Unterleib.
Sie zitterte. Atmete. Wie sehr sie sich die Kraft wünschte, seine Hand beiseitezuschlagen.
„Bestimmt wird unser erstes Kind ein Mädchen. Wir werden ihr den Namen ihrer Großmutter geben …“, murmelte er.
Wenn ich mich nicht bewege, glaubt er vielleicht, ich bin eingeschlafen.
Sie machte lange, tiefe Atemzüge.
Er lachte leise.
Seine Hand wanderte hinauf, umschloss ihre Brust. Sie spürte ihren harten Nippel, verfluchte ihren Körper im Stillen, der sein Verlangen so viel deutlicher auszudrücken vermochte als sie die gedankliche Abscheu, ihren Bruder zu lieben, das Bett mit ihm zu teilen.
„Schau nur, wie sehr du mich willst.“ Mit Zeigefinger und Daumen kniff er ihren Nippel. Sie bewegte sich leicht, versuchte noch immer, sich schlafend zu stellen.
„Was möchtest du wohl gerne, das ich mit dir mache? Wir haben die ganze Nacht Zeit, aber ich glaube, das reicht nicht, um unser ungestilltes Verlangen zum Verstummen zu bringen. Ich glaube, wenn wir erst anfangen, kann ich nicht von dir lassen und du nicht von mir.“
Ich hasse dich.
Ich hasse mich, weil ich dich liebe.
„Wie wäre es, wenn ich damit beginne, dich auszuziehen?“
Sie umarmte ihren
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