Die Rose von Byzanz
freigekaufte Sklavin war, obwohl jedem klar sein musste, dass eine junge hübsche Fränkin nicht grundlos plötzlich in Byzanz auftauchte und dort mit einem Nordmann an Bord eines Schiffes ging. Doch die rauen Kerle schienen sie zu mögen, obwohl Johanna den ganzen Tag im Bug kauerte und den Mantel um ihren Körper raffte, als fürchtete sie, einer könnte zudringlich werden. Und auch mit zotigen Bemerkungen hielten sie sich zurück, obwohl sie inzwischen wussten, wie wenig Johanna ihrer Sprache mächtig war.
Er lächelte im Dunkeln. Der Jüngste an Bord, Mattur Ingimarsson, hatte einen Narren an Johanna gefressen. Er war Kjetils Neffe, seiner Schwester Sohn, und reiste das erste Mal auf einem Drachenboot, das auf große Fahrt ging. Johanna schien ihm das größte Wunder dieser Reise zu sein, denn er starrte ihr geradezu tumb nach, wo sie ging und saß.
Leise bewegte sie sich im Schlaf. Er zog den Mantel höher und schloss die Augen. Eine herrliche Mattigkeit ergriff von ihm Besitz, er schwelgte darin ebenso wie in dem herben Geruch ihrer sexuellen Vereinigung.
Ich liebe sie, stellte er überrascht fest. Es ist so anders als bei Irene oder jeder anderen Frau, mit der ich bisher das Lager geteilt habe .
Er musste wohl eingeschlafen sein, denn ein zartes Klirren weckte ihn – zart war es jedoch nur, weil es aus zweihundert Schritt Entfernung zu ihnen drang. Sofort war er hellwach, wollte aufspringen und weckte mit dieser heftigen Bewegung Johanna, die ihren Kopf auf seine Brust gebettet und sich an ihn geschmiegt eingerollt hatte. Sie keuchte auf, wollte vor Schreck aufschreien, doch er besaß die Geistesgegenwart, ihr die Hand auf den Mund zu pressen. „Still“, bedeutete er ihr. Ihre Augen leuchteten weiß im Dunkel. Gespenstisch. Entsetzt.
Schwerter. Was er da hörte, war das Klirren von Eisen auf Eisen, und jetzt hörte er auch das raue Rufen, Brüllen, Schreien – ein Kampf.
„Hör mir genau zu“, wisperte er eindringlich. Sein Blick klammerte sich an Johannas, doch ihre Augen irrten hin und her, konnten sich nicht auf ihn richten und verloren sich jenseits seiner Schulter. „Du musst hierbleiben, hörst du? Unter allen Umständen bleibst du hier und rührst dich nicht vom Fleck bis ich dich hole, verstanden?“
Sie nickte wild. Er ließ sie los. „Deck dich mit deinem Mantel zu“, befahl er ihr, zerrte an seiner Hose und tastete leise fluchend im Dunkeln nach seinem Schwertgehänge.
Seinen Mantel brauchte er nicht. Er rannte, zog im Laufen das Schwert aus der Scheide, dass es begierig zischte. Dann lief er den Abhang hinunter, versuchte so wenig Lärm wie möglich zu machen, obwohl er ahnte, dass die Kämpfenden ihn ohnehin nicht hören würden.
Es waren wohl etwa ein Dutzend Gegner, die in das Nachtlager der Nordmänner eingedrungen waren und sogar die Wachen überrascht hatten. Doch Oluf und seine Männer hatten rasch zu ihren Waffen gegriffen und verteidigten sich jetzt mit dem Mut, für den ihr Volk bekannt war, kämpften wie die Berserker gegen die Eindringlinge.
Doch jene, die ihnen gegenüberstanden, waren aus gleichem Holz geschnitzt, stammten aus denselben Familien hoch im Norden. Eirik zögerte nicht, ehe er sich in den Kampf stürzte. Er sah Schwerter blitzen, drehte sich schnell, machte den ersten Feind mit einem Schwertstreich nieder. Kurz nur sah er das junge Gesicht des Mannes, den er da niedermähte – und glaubte, in ihm einen jener zu erkennen, die bis vor Kurzem unter seinem Befehl gedient hatten.
Der Basileus hatte seine Waräger ausgeschickt, um ihn zu holen. Ihn, den Mörder des Andronikos’.
Der Zorn war ein machtvoller Verbündeter. Er wollte nicht töten – nicht diese Männer, die nur Befehle ausführten –, doch wollte er den Männern zur Hilfe kommen, die sich bereit erklärt hatten, ihn und Johanna heimzubringen, ohne um die Gefahr zu wissen.
Der Kampf dauerte nicht lange. Schon kurz darauf gaben die Waräger sich geschlagen, sie wichen zurück und verschwanden. Eirik hörte das Klatschen von Rudern, hörte die Männer im Wasser laufen, in ihre Boote springen und verschwinden. Sie hinterließen Tod und Zerstörung.
Ein Waräger war tot. Doch auch unter Olufs Männern hatte der Tod Ernte gehalten. Kjetil beugte sich weinend über den verdrehten Körper seines Neffen Mattur und hielt sich zugleich eine Wunde am Arm. Flosi, der sie noch bei Sonnenuntergang mit so schönen Geschichten aus der Edda unterhalten hatte, lag neben dem Lagerfeuer, die Wange aufs
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